Wirklich jede größere Firma verpflichtet ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Dienstkleidung zu tragen.
Oft geschieht das aus praktischen Gründen wie z. B. Sauberkeit und Hygiene; Ärztinnen und Bäcker, Köche und Labormitarbeiterinnen dürfen keine Alltagskleidung tragen, um ihren Arbeitsplatz nicht zu verunreinigen.
Manche Firmen schreiben Uniformen oder Dienstkleidung wegen ihrer corporate identity vor; hier denke ich an Flugbegleiterinnen, Verkäufer, Tankstellenmitarbeiter und Mitarbeiter in Fast-Food-Ketten.
Manchmal ist es Tradition, ein bestimmtes Gewand anzuziehen, Dirndl und Lederhosen oder andere volkstümliche Trachten beispielsweise, manchmal dient die Kleidung der Wiedererkennbarkeit oder steht für die Vollmacht oder die Autorität einer Person, die ein bestimmtes Amt ausfüllt, wie z.B. die Roben der Richter, die Talare oder Priestergewänder von Geistlichen und die Uniformen von Soldaten und Polizisten.
Oft erfüllt die Dienstkleidung mehrere der genannten Zwecke, so ist zum Beispiel die Uniform der Feuerwehrleute zweckmäßig, wiedererkennbar und fordert zugleich die Autorität des damit verbundenen Amtes ein.
Kleidungsvorschriften gibt es aber auch da, wo keine Dienstkleidung vorgesehen ist – in vielen Firmen soll durch die Kleidung Seriosität ausgedrückt und ein bestimmtes Image erzeugt werden. Anwälte, Bankmitarbeiter, Angestellte in Versicherungen sind angehalten, entsprechende Kleidung zu tragen, insbesondere, wenn sie im Kontakt mit Kundinnen und Kunden stehen.
Vornehme Kleidung kennzeichnet im Privatleben besondere und außergewöhnliche Zeiten; für einen Abend an der Oper, für den den Ball, für ein klassisches Konzert zieht man sich schick an. Und für die ganz besonderen Anlässe im Leben wie Hochzeit, Trauerfeier, Abiturfeier und Ähnliches werden extra Kleidungsstücke gekauft, die gern das mehrfache des Preises normaler Anzüge oder Kleider kosten dürfen.
Firmen mit strengen Kleidungsvorschriften kennen oft die Ausnahme von der Regel: den casual friday. Einen Tag in der Woche dürfen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter legerer kleiden – was aber entgegen der ursprünglichen Absicht dahin führt, dass neben dem teuren Anzug und dem maßgeschneiderten Kostüm nun auch noch ein aufwendiges Outfit aus Hose, Pullover, Jackett und so weiter angeschafft werden muss, denn in typischer und billiger Freizeitkleidung darf man sich am Arbeitsplatz trotzdem nicht sehen lassen, casual hin oder her.
Für Pfarrerinnen und Pfarrer ist in Deutschland für den Gottesdienst der Talar in der jeweiligen regionalen Form vorgeschrieben. In Ausnahmefällen können die Geistlichen die weiße Albe mit einer Stola in den Farben des Kirchenjahres tragen.
Diese Kleiderordnung in der Kirche ist schon lange umstritten, gerade in diesen Tagen wird nach einem Artikel der Pfarrerin und Kolumnistin der ZEIT Hanna Jacobs wieder diskutiert, ob man nicht wenigstens während der sehr heißen Tage im Sommer auf den Talar verzichten könnte oder eine andere angemessene Kleidung wählen könnte. Den meisten Gemeindegliedern sei es egal, was die Pfarrerin anhabe, schreibt sie. Der Talar schaffe zudem eine Distanz zwischen den Gemeindegliedern und der oder dem Geistlichen, und schon das sei Grund, den Talar an den Nagel zu hängen.
Ja, sie hat Recht – den Talar als Gewand des Pfarrers gibt es in der Kirche noch gar nicht so lange, wie viele Christenmenschen denken. Luther wird zwar oft im schwarzen Gewand dargestellt, doch trug er den Talar nur an der Universität, wenn er in wissenschaftlichen Kreisen disputierte. Den Gottesdienst feierte er selbstverständlich im katholischen Priestergewand, mit Albe, Casel, Stola und allem, was sonst noch so dazu gehörte.
„Der Talar ist kein geistliches Gewand, sondern eine preußische Amtstracht. König Friedrich Wilhelm III. verfügte 1811 per Kabinettsordre, dass von nun an der schwarze Talar zu tragen sei, und setzte damit der textilen Vielfalt ein Ende.“ schreibt Hanna Jacobs – aber es muss ja doch einen Grund gegeben haben, dem Wildwuchs, den sie Vielfalt nennt, etwas entgegen zu setzen.
Und wo – wie in manchen Gemeinden bereits zu erleben – diese Tradition aufgeweicht wird, beginnt eine gewisse Unordnung aufs Neue: da gibt es Gewänder und Stolen in Regenbogenfarben, Umhänge mit dem peace-Zeichen darauf oder mit Symbolen, die für Umweltschutz, Kinderrechte und anderes stehen.
Und so verstehbar und ehrenwert die mit diesem Farbenspiel verbundenen Anliegen auch sind – sie haben an anderer Stelle im Gottesdienst ihren wichtigen und unverzichtbaren Ort – dieses Spiel mit dem Stoff ist keine irgendwie theologisch begründete und im ökumenischen Beziehungsgeflecht der Kirche vertretbare Form.
Sondern Mode.
Ein älterer Kollege und Bruder im Pfarrdienst hat es einmal so ausgedrückt: Im Gottesdienst geht es um den Text, nicht um die Textilien. Alles an der Gestaltung des Kirchraumes, des Altars, der Kanzel und auch an der Kleidung der Geistlichen predigt in gewissem Sinne mit und muss sich darum diesem Anliegen unterordnen, dass im Gottesdienst Christus verkündigt wird – um es einmal ganz traditionell zu sagen.
In meinen Gemeinden ziehen sich die Gemeindeglieder, die zum Gottesdienst kommen, festlich an. Sie kommen in ihrem „Sonntagsstaat“. Und sie würden sich wundern, wenn der Pfarrer im T-Shirt und mit schwarzen Jeans vor ihnen steht. Wahrscheinlich würden sie es als respektlos und unangemessen empfinden, zumindest als irritierend.
All das ist nicht notwendig zum Heil. Auf kein Kleidungsstück kommt es wirklich an. Aber es sollte eben auch nicht stören. Darum kann es in der Kirche auch keinen casual sunday geben – und sei es noch so heiß!