Ein neues Herz, ein neuer Geist…

Andacht in der Evangelischen Schule Großziethen

 

„Ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist geben…“ Dieser Satz aus dem Buch des Propheten Hesekiel ist für dieses Jahr als Jahreslosung ausgesucht worden; und die Gruppe aus Eurer Schule, die heute die Andacht für Euch vorbereitet hat, hat ihn als Thema über ihre Gedanken und Ideen gestellt.

2600 Jahre alt sind diese Worte, denn der Prophet Hesekiel wurde im Jahr 622 vor Christus geboren. Damals herrschte Krieg zwischen dem großen und mächtigen Land Babylon und dem kleinen und ziemlich unwichtigen Land Israel. Natürlich verloren die Israeliten den Krieg, und viele Bewohner der Städte, die Reichen und gebildeten Leute, wurden als Kriegsgefangene nach Babylon gebracht. Dort weinten sie um ihre verlorene Heimat und zweifelten an Gott, der sie anscheinend verlassen hatte.

Aber der Prophet Hesekiel war mit ihnen in die Gefangenschaft gekommen, und er fing dort im fremden Land an, von der Treue Gottes zu reden. Nein, Gott hat euch nicht verlassen, hat Hesekiel gesagt, sondern ihr habt ihn verlassen. Ihr habt nach Macht und Reichtum, nach Bewunderung und Luxus gesucht, und was Gott von euch erwartet hat, war euch herzlich egal. Die Armen habt ihr verachtet, die Schwachen unterdrückt und die euer böses Spiel nicht mitspielen wollten, habt ihr gemobbt, gefoltert und vertrieben. Darum hat Gott euch bestraft. Darum hat Gott euch in die hand eurer Feinde gegeben. Darum seid ihr gefangen in einem fremden Land.

Aber – so sagt es Hesekiel – Gott will euch die Chance geben, noch einmal neu anzufangen. Er gibt euch ein neues Herz und einen neuen Geist.

Wenn Hesekiel von Herz redet, meint er den Sitz der Vernunft und des Verstandes im Menschen. Mit dem Herzen – so dachte man damals – trifft man Entscheidungen, wählt zwischen Gut und Böse, zwischen Richtig und Falsch. Das Herz war der Sitz der Moral und des vernünftigen Denkens. Alles, was wir normalerweise mit dem Gehirn, mit dem Kopf, mit dem Geist verbinden, war für die alten Israelis mit dem Herzen verbunden. Und das, das will Gott neu machen.

Hesekiel spricht nicht zu einzelnen, so wie Prediger es heute oft tun. Er sagt nicht: Du musst und wirst Dich ändern; er sagt nicht: Dein Denken wird Gott neu machen… Sondern er spricht das Volk als Ganzes an. Ihr alle, die ihr als Fremde in Babylon lebt, ihr alle, die ihr eure Heimat verloren habt, euch wird Gott ein neues Denken, Wollen und Tun schenken. Gemeinsam mit Euch wird er neu anfangen, und es wird Friede sein.

Wie kann das gehen, dass Gott so das Denken eines ganzen Volkes ändert?

Wir begehen heute auch den internationalen Holocaust-Gedenktag. Seit 1996 denken wir jedes Jahr wieder am 27. Januar daran, dass das deutsche Volk in der Nazi-Zeit unvorstellbares Leiden über die Juden gebracht hat. Überall im Deutschen Reich und in den eroberten Gebieten wurden Männer, Frauen und Kinder missachtet, misshandelt, ausgeschlossen und verachtet. Viele Millionen Juden wurden eingesperrt und unter undenkbaren Bedingungen in Konzentrationslagern gefangengehalten, sechs Millionen Menschen wurden in Gaskammern getötet, von sadistischen Wächtern erschossen oder sind erfroren oder verhungert. Am 27. Januar 1945, heute vor 72 Jahren, wurden die gefangenen Menschen aus dem KZ Auschwitz von russischen Soldaten befreit.

Früher hat die Kultur der Juden zusammen mit der christlichen Kultur Deutschland geprägt, Kunst und Theater, Wissenschaft und Wirtschaft waren auch vom jüdischen Glauben und Denken mitbestimmt und geprägt. Nach dem Krieg gab es nirgendwo in Deutschland noch eine Synagoge oder eine jüdische Gemeinde, keinen Albert Einstein und keinen Lyonel Feininger, keine Anne Frank und keinen Siegmund Freud. Nach dem Krieg gab es keine Juden mehr in Deutschland. Viele sind gestorben, und noch mehr sind geflohen, weil es hier keinen Frieden und keine Heimat mehr für sie gab.

Und niemand hätte damals geglaubt, dass es jemals wieder so etwas wie Freundschaft zwischen Deutschland und Israel geben könnte. Niemand hätte geglaubt, dass sich das Denken der Menschen in Deutschland so ändern würde, dass sie beschließen, dass nie wieder ein Krieg von Deutschland ausgehen soll. Niemand hätte geglaubt, dass es einmal einen Holocaust-Gedenktag in Deutschland geben würde und dass einmal ein deutscher Bundeskanzler in Warschau auf Knien um Vergebung bittet für das, was eine Generation vorher in dem jüdischen Ghetto getan wurde.

Vielleicht wäre es zu viel gesagt, dass das Umdenken in Deutschland allein auf das Eingreifen Gottes in unserer Geschichte zurück geht. Aber ich bin sicher, dass es Gott war, der uns einen neuen Anfang, eine neue Chance geschenkt hat. Ich bin sicher, dass Gott die vielen Gebete erhört hat, die für ein neues Denken in Deutschland gesprochen wurden. Vielleicht haben auch Juden dafür gebetet, dass Gott sich über die Deutschen erbarmt. Wir haben ein neues Herz und einen neuen Geist bekommen…

Haben wir das? Wirklich?

Ich mache mir oft Sorgen, wie viel von dem alten Denken unter einer dünnen Schicht Weltbürgertum noch da ist. Man braucht nur ein bisschen am schönen, bunten Lack zu kratzen, schon bekommt der Risse und man erkennt den alten Germanen wieder, der sich vor allem Fremden fürchtet und darum nur zu sehr bereit ist, „Deutschland, Deutschland über alles“ zu brüllen. Und nicht nur in Deutschland gibt es solche, die glauben, sie seien besser als alle anderen Menschen auf der Welt, und sie müssten deshalb Zäune bauen und ihre Grenzen schützen, indem sie auf Frauen und Kinder schießen…

Das Leben ist kompliziert geworden, unsere Politikerinnen und Politiker müssen schwierige und weitreichende Entscheidungen treffen. Wo der richtige Weg liegt, welches Urteil sich am Ende als das beste erweisen wird, welche Entscheidung vernünftig ist, das ist in dieser Zeot nicht leicht zu erkennen. Das war es aber auch zur Zeit des Propheten Hesekiel nicht. Und unter Adolf Hitler hatten viele Menschen nicht den Mut, Nein zu sagen. Ich weiß doch auch nicht, ob ich selbst solchen Mut gehabt hätte.

Aber heute weiß ich: Frieden, Sicherheit und Gerechtigkeit gibt es nicht umsonst. Demokratie ist nicht selbstverständlich. So, wie sie einmal mit großem Mut und viel Mühe erkämpft wurde, so muss sie mit Anstrengung und Engagement bewahrt werden. Nicht mehr lange, und Ihr werdet Entscheidungen treffen, die über Frieden und Sicherheit entscheiden. Wenn ihr wählen geht, zum Beispiel. Oder wenn ihr selbst Politiker werdet. Oder Polizisten. Sozialarbeiter oder Entwicklungshelfer. Lehrer oder Pfarrer.

Und sicher dürfen und sollen wir auch immer wieder darum beten, dass wir weiterhin in Frieden leben dürfen – zusammen mit allen, die aus fernen Ländern zu uns kommen, weil sie hier den Frieden suchen, den es bei ihnen in ihrer Heimat nicht gibt. Wir hoffen und glauben, dass Gott uns dafür immer wieder ein vernünftiges Herz und einen mutigen Geist geben wird – immer wieder die Chance, neu anzufangen.

gepflegt vorkommen 

Manche Leute können schreiben, und manche Leute können SCHREIBEN. Das ist ein Unterschied. Viel Geschriebenes ist nämlich kaum das Papier wert, auf dem es steht. Obwohl es ja sehr geduldig ist, so Papier. 
Jemand, der SCHREIBEN kann, ist Harry Rowohlt. Ich kannte ihn zuerst als Übersetzer von „Winnie the Pooh“, dem Bären von sehr geringem Verstand. Für dieses Buch hat Rowohlt unsterbliche Reime erfunden, die kleinen und großen Kindern bis heute im Kopf leben, obwohl er leider auch schon von uns gegangen ist, der alte Querkopf…
Er war auch ein sehr amüsanter Erzähler, der zum Beispiel sehr witzig darüber berichtete, wie es ihm erging, als er beim Lesen eines Romans plötzlich seinen eigenen Namen vorfand. „Der Autor hat mich da an einer Bahnschranke warten lassen. Ich bin da also ziemlich gepflegt vorgekommen in diesem Roman, aber ich bin doch ein bisschen erschrocken, kommt ja nicht alle Tage vor, dass man da so plötzlich vorkommt in einem Roman.“
Daran musste ich denken, als ich jetzt plötzlich meinen Namen entdeckte im Blog der von mir sehr verehrten Feldlilie. Da bin ich jetzt auch sehr gepflegt vorgekommen, und das freut mich über die Maßen, weil sie mit Harry Rowohlt gemeinsam hat, dass sie auch großartig SCHREIBEN  kann und außerdem überaus humorvoll und klug ist. In ihrem Blog vorzukommen war für mich eines der besten Geburtstagsgeschenke überhaupt. Manchmal merkt man eben erst wenn man etwas geschenkt bekommt, dass man sich genau das eigentlich schon die ganze Zeit über heimlich gewünscht hat.
DANKE, M.

Buchvorstellung: Fabian Vogt: 2017 – Die neue Reformation

Fabian Vogt:

2017 – Die neue Reformation

adeo-Verlag 2012, 348 Seiten, 16,95 €

Wir schreiben das Jahr 2042. Christian van Haewen blickt zurück auf die „neue Reformation“, die er im Herbst 2017 anführte. Mit 95 verwegenen Thesen, die er via Internet verbreitete, wollte er die Kirche herausfordern, einen Neuanfang zu wagen. Doch er hätte nie gedacht, dass sich daraus eine Bewegung entwickeln würde, die die religiöse Landschaft der ganzen Welt umkrempelt.

Aus einer Schnapsidee heraus reift der Plan, die träge und verstaubte Kirche aufzurütteln: Wie wäre es, wenn Gottesdienste wieder lebensnah, aufregend und ansprechend würden? Wenn nicht nur die Pfarrerinnen und Pfarrer das Sagen hätten, wenn statt dessen das Priestertum aller Gläubigen in der Kirche ernsthaft gelebt würde? Wenn die Wahrheiten Jesu in ihr wichtiger wären als Tradition und der Geist Gottes kräftiger wäre als das Beharrungsvermögen festgefahrener Struktur? Wie wäre es, wenn die Kirche wieder in der frischen, kraftvollen Sprache der „normalen“ Menschen von der Schönheit und der Liebe Gottes spräche?

Eine Gruppe junger Christen nutzt Internet, neue Medien und alle Möglichkeiten moderner Kommunikation, um diesen Gedanken unter die Menschen zu bringen: Die Kirche muss wieder reformiert werden. Fünfhundert Jahre nach Martin Luther ist es Zeit für einen neuen Anfang.

Doch schon 25 Jahre später scheint auch dieser neue Aufbruch fest-gefahren zu sein. Christian van Haewen fragt sich, ob das, was er die ganze Zeit lang getrieben hat, wirklich von Gott gewollt war. Auch die „Lebendige Kirche“ erstarrt in leeren Formeln. Und den „Reformator“ von 2017 plagen Zweifel.

Geradezu überstürzt macht er sich auf den Weg in die Türkei, um dort auf den Spuren des Paulus nach Antworten zu suchen. Er trifft einen alten Freund und findet eine neue, zarte Liebe zu der Frau, die die beiden Männer auf ihrer Reise begleitet. Aber er gerät auch in Lebensgefahr, denn mit seinen revolutionären Ideen hat er sich auch viele Feinde gemacht. Und am Ende ist unklar, ob Christian jemals wieder nach Deutschland zurückkehren wird.

Dieses Buch ist nicht nur ein Traum von dem, was sein könnte, wenn junge Christen ein bisschen mutiger wären. Dieses Buch ist ein Aufruf zu einer engagierten Diskussion in der Kirche und zu der Einsicht: Kirche – das sind wir. Und wird sind mit verantwortlich für das, was in ihr geschieht.

Ein mitreißender, leidenschaftlicher Roman über die Zukunft des Glaubens und der Kirche.