Ich bin ein Schwert, geschmiedet von einem erfahrenen Schmied im Römischen Reich. Ich habe eine scharfe Klinge, einen stabilen Griff und meine Schneide ist aus glänzendem Metall. Ich bin eine Kriegswaffe, aber auch ein Symbol für Ehre und Gerechtigkeit. Ich gehöre Martin, einem tapferen und edlen Soldaten, der dem Kaiser Konstantin dient.
Ich habe viele Schlachten mit Martin erlebt, in denen er gegen die Feinde Roms kämpfte. Ich habe Fleisch und Knochen zerschnitten, Blut vergossen und Leben genommen. Ich habe Martin vor Schaden bewahrt. Ich habe auch gesehen, wie er den Besiegten Barmherzigkeit und Mitgefühl entgegenbrachte, ihr Leben verschonte und ihre Wunden behandelte. Er ist ein guter Mann, im Gegensatz zu einigen seiner Kameraden, die grausam und habgierig sind.
Eines Tages, als wir in eine Stadt kommen, treffen wir am Tor auf einen Bettler. Er zittert vor Kälte und trägt nur Lumpen. Er hat kein Zuhause, kein Essen, keine Freunde. Er bettelt um Hilfe, aber niemand schenkt ihm Beachtung. Außer Martin. Er hält sein Pferd an und blickt den Bettler mitleidig an. Er steigt ab und nähert sich ihm. Martin hat weder Geld noch Essen, das er ihm geben könnte, aber er hat etwas anderes. Er legt seinen Umhang ab, ein dickes und warmes Kleidungsstück, das ihn vor dem eisigen Wind schützt. Er zieht mich aus meiner Scheide und hebt mich hoch. Was hat er vor? Er wird doch nicht seinen wertvollen Umhang in zwei Hälften schneiden und einen Teil dem Bettler geben?!
Ich bin überrascht und verwirrt. Warum macht er das? Er braucht seinen Umhang doch viel mehr als der Bettler. Er ist ein Soldat und Soldaten müssen auf jede Situation vorbereitet sein. Er riskiert seine Gesundheit und Sicherheit für einen Fremden. Er verschwendet seinen kostbaren Besitz für eine wertlose Person. Das ist dumm und übertrieben. Er sollte seinen Umhang behalten und den Bettler seinem Schicksal überlassen.
Aber er hört mir nicht zu. Mit einer schnellen Bewegung reißt er mich zu Boden und schneidet so seinen Umhang in zwei Teile. Er wickelt eine Hälfte um den Bettler, bedeckt seinen Körper und wärmt seine Gliedmaßen mit dem warmen Tuch. Er schenkt ihm ein Lächeln und einen Segen. Der Bettler dankt ihm mit Tränen in den Augen. Er sagt, er habe noch nie jemanden wie Martin getroffen. Er sagt, er sei ein von Gott gesandter Engel.
Martin legt sich die andere Hälfte seines Umhangs um die Schultern und besteigt sein Pferd. Er zittert und lächelt. Er sagt, er spüre eine seltsame Wärme in seinem Herzen. Er sagt, er habe sich noch nie so glücklich gefühlt. Er sagt, er folge dem Beispiel von Jesus Christus, der sein Leben für die Welt gegeben habe.
Ich verstehe ihn nicht. Ich weiß nicht, wer Jesus Christus ist. Ich weiß nicht, was Gott ist. Ich kenne nur Krieg und Gewalt. Ich weiß nur, wie man tötet und zerstört. Ich weiß nur, wie man gehorcht und dient. Ich bin ein Schwert, und das ist alles, was ich bin.
Aber als ich Martin davonreiten sehe, während der Bettler ihm zuwinkt, fühle ich etwas, was ich noch nie zuvor gefühlt habe. Ich verspüre einen Anflug von Neugier und Staunen. Ich verspüre einen Funken Bewunderung und Respekt. Ich spüre einen Hauch von Liebe und Loyalität. Ich spüre eine Veränderung in mir.
Vielleicht bin ich nicht nur ein Schwert. Vielleicht bin ich etwas mehr.