Der zusätzliche Tag…

29. Februar. 2024. Schalttag. Donnerstag. Gerade habe ich eine Stunde in der Sonne auf dem Balkon gesessen und gelesen. Meine Frau liest zur Zeit Bücher von japanischen Schriftstellerinnen aus dem elften Jahrhundert und ist davon so begeistert, dass ich auch einmal hinein schauen wollte. Aber – entweder ist es die Literatur oder die Sonne  – ich wurde müde und bin jetzt wieder im Wohnzimmer…

Ein ziemlich verpröpelter Tag. Heute Abend ist noch GKR-Sitzung. Ich brauche unbedingt Kaffee.

Ich habe jetzt in meinen alten Kalendern geschaut, was ich eigentlich an den letzten Schalttagen so gemacht habe.

29.2.2020: Ein Samstag. In der Kirchengemeinde trifft sich eine kleine Gruppe, um gemeinsam zu kochen. Fleisch, Gemüse, Gewürze und Getränke wurden schon im voraus eingekauft, jetzt teilen wir uns auf und bereiten die vier Gänge eines Festmahls vor: Tortilla, Tapas, Paella, Kuchen, Kaffee und Süßigkeiten nach spanischem Rezept. Wir haben alle viel Spaß und es schmeckt wunderbar.

29.2.2016: Ein Montag. Ich bin allein zu Hause und nutze die Zeit, mein Büro aufzuräumen. Zwischendurch war ich im Supermarkt einkaufen. Die Fastenzeit beginnt und ich bin hungrig. Lustlos und genervt. Nachmittags habe ich entweder gelesen oder trotz der guten Vorsätze am Computer gedaddelt. Damals habe ich noch mit Begeisterung „Homeworld“ gespielt – man steuert ein paar Dutzend Raumschiffe durch die Galaxis und sucht die Heimatwelt…

29.2.2012: Ein Mittwoch. Am Nachmittag habe ich mich mit meiner neuen Konfirmandengruppe getroffen, zwei Wochen nach dem Elternabend und den Kennenlern-Stunden fängt jetzt der normale Unterricht an. Es geht um Zusammenarbeit, um gemeinsame Projekte und um verbindliche Ziele. Zur Übung bilden wir Teams, die ein Ei so verpacken sollen, dass es den Fall aus dem ersten Stock des Gemeindezentrums überlebt. Was das mit dem christlichen Glauben zu tun hat? Wenig. Aber es macht Spaß,  und am Schluss gibt es Rührei für alle.

29.2.2008: Ein Freitag. Damals war ich noch in meiner Pfarrstelle in Schöneberg. Freitag war immer Wochenschlussandacht in der Dorfkirche. Meistens waren wir acht bis zehn Leute, wir haben gebetet und zusammen die Liturgie der Michaelsbruderschaft gesungen.

29.2.2004: Ein Sonntag. Gottesdienst, Wahrscheinlich. Nachmittags ausruhen. Wenn damals auch schon die Sonne schien, war ich sicher draußen auf der Terrasse.

29.2.2000: Diesen Tag gab’s gar nicht. Denn 2000 war gar kein Schaltjahr. Wegen der Millenniumsregel.

Schlangen, Schlangen in der Wüste…

Da brachen sie auf von dem Berge Hor in Richtung auf das Schilfmeer, um das Land der Edomiter zu umgehen. Und das Volk wurde verdrossen auf dem Wege und redete wider Gott und wider Mose: Warum habt ihr uns aus Ägypten geführt, dass wir sterben in der Wüste? Denn es ist kein Brot noch Wasser hier, und uns ekelt vor dieser mageren Speise.

Da sandte der Herr feurige Schlangen unter das Volk; die bissen das Volk, dass viele aus Israel starben. Da kamen sie zu Mose und sprachen: Wir haben gesündigt, dass wir wider den Herrn und wider dich geredet haben. Bitte den Herrn, dass er die Schlangen von uns nehme. Und Mose bat für das Volk.

Da sprach der Herr zu Mose: Mache dir eine eherne Schlange und richte sie an einer Stange hoch auf. Wer gebissen ist und sieht sie an, der soll leben. Da machte Mose eine eherne Schlange und richtete sie hoch auf. Und wenn jemanden eine Schlange biss, so sah er die eherne Schlange an und blieb leben.

4. Buch Mose, Kapitel 21, Verse 4 bis 9

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Da ist sie wieder, die alte Frage: Wie kann Gott das zulassen?

Er selbst war es doch, der Moses berufen hat, mit den Israeliten aus Ägypten zu fliehen. Mit großen, unfassbaren Wundertaten hat er selbst die Israeliten begleitet und geführt, hat das Meer geteilt, so dass Israel mit trockenen Füßen hindurch ziehen konnte, hat die unbesiegbare Armee des Pharao vernichtet, so dass kein Reiter, kein Pferd, kein Streitwagen übrig blieb. Am Berg Sinai hat er den Seinen die Tafeln des Bundes gegeben, die zehn Gebote, die mit den Worten beginnen „Ich bin der Herr, dein Gott…“

Wo hat man es jemals gehört, dass Gott sich so mit seinen Leuten verbindet, dass er sich in einem Vertrag verpflichtet und schwört: „Ich will euch segnen, und ihr sollt ein Segen sein für alle Völker der Welt…“? Voller Staunen über diese Wunder waren sie, die anderen Völker, und Entsetzen ergriff sie über die machtvollen Taten, die Gott für Israel tat.

Aber dann kippte die Stimmung. Nach Jahren in der Wüste wurden die Menschen mürrisch, sie wurden sogar der Wunder Gottes überdrüssig. So sind wir wohl, wir Menschen, wir können uns an Hunger und Not gewöhnen, aber auch an Überfluss und Reichtum, und irgendwann tritt Gewöhnung ein und Langeweile, und wir werden unzufrieden mitten im Segen, wir spüren Hunger mitten im Überfluss, den Gott schenkt.

Und so murrten sie nicht nur über Moses, der alles Menschenmögliche tat, um das Volk sicher durch die Wüste zu bringen, vorbei an den anderen Völkern, die ihre Besitzansprüche mit Waffengewalt verteidigen würden, vorbei an den trockenen Tälern des Todes, in denen es kein Wasser gab und in denen Mensch und Tier elend zugrunde gehen mussten, weiter in immer neue sichere Oasen, wo sie sich erholen und neue Kraft schöpfen konnten – sie murrten auch gegen Gott, der ihnen die Gebote gegeben hatte und der sich ihnen zu eigen erklärt hatte in diesem Bund, in dem es hieß: Du sollst keine anderen Götter neben mir haben…

Reden aus Angst übertönten die Worte des Vertrauens, Aufruhr zerstörte den Frieden, Eigensinn vernichtete die Gemeinschaft, Hass besiegte die Liebe und die Versprechen der Vergangenheit wurden vergessen ebenso wie die Verheißungen einer besseren Zukunft.

Und da waren sie plötzlich, diese kleinen, so tödlich giftigen Schlangen. Sie schlichen in Zelte, versteckten sich unter Decken, lauerten unter den Sätteln der Reittiere, waren sogar in den Betten, und selbst auf den Toiletten war man nicht sicher. Sie waren überall, und ihr Biss brachte den Tod. Schmerzhaft waren die Wunden, die unscheinbaren roten Punkte am Arm, am Bein, am Gesäß, und von diesen vergifteten Wunden aus breitete sich eine quälende Hitze durch den ganzen Körper. Wer gebissen war, hatte nur noch wenige Tage, in denen er sich schwitzend im Krankenbett hin und her wälzte, bis endlich der Tod ihn erlöste…

War es die Strafe Gottes für den Aufstand der Israeliten gegen Moses? War es die verdiente Folge ihrer Rebellion gegen Gott? Oder war es purer Zufall, dass ausgerechnet hier in der Wüste die Plage das Volk Israel traf wie vorher die Ägypter getroffen wurden von Heuschrecken, Fröschen, Finsternis und dem Engel des Todes, der alle Erstgeborenen tötete?

Was also war der Sinn hinter diesem hundertfachen Sterben? Waren die Schlangen des Werkzeug der Rache Gottes, das Instrument, mit dem er unbarmherzig und eifersüchtig seine untreuen Bundesgenossen züchtigte? Hatte Gott die Israeliten, sein auserwähltes Volk, aus Ägypten geführt, um sie hier in der Wüste sterben zu lassen? Hatte er ihnen nicht seinen Segen versprochen, seine Liebe, ein besseres Leben?

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Viele Jahre waren die beiden verheiratet. Es war so, wie sie es sich immer erträumt hatte, zuerst die Hochzeit in der Kirche, das weiße Kleid, die vielen Freunde, die ausgelassen tanzten… Dann die Hochzeitsreise, später das erste und das zweite Kind, ein Haus mit Garten, Geburtstagsfeste, Reisen… Jahre voller Glück. Aber dann kamen sie auch hier aus allen Verstecken, die  giftigen Schlangen… Gab es Grund für Eifersucht? Warum erzählte er nichts von dem, was er auf seiner Dienstreise erlebt hatte? Warum wurde er rot im Gesicht, wenn er über seine junge Kollegin sprach? Warum blieb er immer öfter abends lange weg? Was stellte sich da zwischen sie?

Sie redeten nicht darüber, aber sie spürten beide diese Veränderung. Sie stellte keine Fragen, trotzdem gab es immer öfter Streit. Es war wie ein Schlangenbiss, der ihre Ehe vergiftete. Misstrauen legte sich über die Liebe und ließ die Tage grau und fade werden. Auch sie wurde einsilbiger, in ihrer Traurigkeit ließ sie ihrer Phantasie freie Bahn, ihre Träume lernten fliegen, aber ihr Mann kam immer seltener darin vor.

Und während beide im Bett liegen – inzwischen schon in getrennten Zimmern – fragen sie sich: Was ist nur geschehen? Welche Fehler haben wir gemacht? Will Gott uns bestrafen? War er es nicht, unter dessen Segen wir gesagt haben „Ja, ich will!“? Hatte der Pfarrer nicht bei der Hochzeit gesagt: „So sprach Gott, der die Welt erschuf: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei, darum sollen Mann und Frau einander ergänzen, sich gegenseitig lieben und ehren, einander achten und sich treu sein, solange sie leben…!“? Was ist der Sinn? Warum liegt Ihre Liebe im Sterben?

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Eigentlich war er kerngesund. Seinen Arzt sah er alle zwei Jahre zu einem Vorsorge-Check-Up. Das Übliche eben, Blutdruck messen, Ultraschall, Lungenvolumen, alles tipptopp. Der Zahnarzt lobte ihn für seine vorbildhafte Mundhygiene, eine Brille hat er nie gebraucht, höchstens im Sommer die coole Rayban mit den verspiegelten Gläsern, die ihn unwiderstehlich machte.

Da kam es wie ein Schock, als im Ultraschallbild jener kleine Knoten auftauchte, ein grauer Fleck an seiner Prostata, für den der Arzt schnell einen Namen fand: Krebs. Ein bösartiger Tumor, gerade noch rechtzeitig erkannt, behandelbar mit Chemotherapie und Bestrahlung, aber es würde eine harte Zeit werden.

Wie ein Schlangenbiss vergiftete die Angst jetzt sein Leben, jede Spritze war der Anfang neuer Qual, jede Bestrahlung nahm ihm für Wochen alle Kraft. Nichts war mehr so wie vor der Diagnose. Und regelmäßig stellte er sich die Frage: Warum ich? Warum jetzt? Und welchen Sinn hat das überhaupt… Will Gott mich bestrafen? Will er meinen Glauben testen? Was soll das alles?!

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So gern würden wir verstehen, was Gott tut, was er uns zumutet. Wenn Krankheit uns befällt, wenn geliebte Menschen sterben, wenn eine Ehe zerbricht oder eine Naturkatastrophe das Leben für immer verändert, dann suchen wir einen Sinn, einen Grund, einen göttlichen Plan hinter all dem Leid. Wir wollen hinter den Schmerzen einen Sinn erkennen, denn dann würde uns unsere Not weniger beliebig, weniger zufällig erscheinen. Wenn es einen guten Grund hinter dem allen gäbe – und sei es nur der, dass Gott uns prüfen oder strafen will – dann wäre der Schmerz leichter zu ertragen.

In der Bibel finden wir oft ähnliche Begründungen für das menschliche Leid: Adam und Eva werden aus dem Paradies vertrieben, weil sie von der verbotenen Frucht gegessen haben,  die Sintflut kommt über die Erde, weil die ganze Menschheit sich von ihrem Schöpfer abgewendet hat, Hunger, Krieg und Tod kommt über Israel, weil sie den Bund mit Gott immer wieder gebrochen haben…

Aber was, wenn Gott gar nicht so ist? Wenn er nicht kleinlich auf das Einhalten jeder religiösen Vorschrift besteht, wenn er aus Liebe zu den Menschen vieles erträgt, immer wieder vergibt und den gebrochenen Bund jedes Mal wieder neu unterschreibt?

Vielleicht ist nicht er es, der die giftigen Schlangen in den Weg der Israeliten gesandt hat, vielleicht ist das langsame Sterben der Liebe nicht eine Strafe Gottes für Ehebruch und Sprachlosigkeit in einer „Beziehung“, vielleicht ist die Krankheit nicht die gerechte Folge eines Lebens, das nach Gott nicht fragt?

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Ich glaube nicht,  dass Gott aus Zorn und Rache zuschlägt wie ein blindes Schicksal.  Ich glaube nicht,  dass Gott Unheil über die Menschen bringt, um sie zu bestrafen. Gott will nicht Leiden und Tod, er will das Leben. Er will, dass seine Liebe in uns Menschen zum Ziel kommt und ihre Erfüllung findet.

Er lässt aber den Menschen die Freiheit, ihren eigenen Weg zu gehen, ihren eigenen Willen durchzusetzen und auch gegen sein Gebot zu handeln. Dann aber muss der Mensch mit den Folgen seines Tuns leben. Er muss leben mit der Ungerechtigkeit, mit den Folgen des Klimawandels, mit den Kriegen, die er selbst heraufbeschworen…

Die Welt ist kein Spielplatz, keine virtuelle Realität, in der man nach Lust und Laune experimentieren könnte. Was hier entschieden wird, hat Folgen. Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Wer zur Waffe greift, wird Blut vergießen. Wer ungerecht handelt, macht sich Feinde. Wer die Realität nicht wahrhaben will, wird sich in seinen Irrtümern verlieren.

Gott schafft nicht das Unheil und straft nicht mit Katastrophen,  aber er lässt zu, dass die Folgen unserer Taten uns treffen. Und das kann sehr weh tun.

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Gott richtet ein Heilszeichen auf für die Israeliten auf dem Weg durch die Wüste. Gerade die Schlange, die so viel Unheil über die Menschen brachte, wird zum Symbol der Heilung. Schaut auf die Schlange und glaubt, dass Gott euch helfen will, so werdet ihr geheilt!

Es ist eine seltsame Verbindung, die hier geknüpft wird, wo als ob Gott sagen wollte: Stellt euch der Wahrheit, verdrängt nicht euer Problem, macht euch nichts vor! Die giftigen Schlangen in eurem Leben sind wirklich, die Bedrohung ist real, ihr seid in Gefahr! Da hilft es nicht, die Augen zu schließen und die Not klein zu reden; es ist nicht gut, so zu tun, als wäre da kein Problem, das es zu lösen gilt.

Wer seine Augen erhebt und auf die Schlange aus Erz schaut, die Moses aufgerichtet hat, der findet Hilfe, Trost und Heilung.

Die Schlange wurde zum Symbol der Medizin, zum Zeichen der Mediziner, der Ärzte und Apotheker. Das Symbol für Lüge und Betrug wurde zum Zeichen des Lebens. Und der Stab, den Moses aufrichtete, wurde in der christlichen Bildsprache verbunden mit dem Kreuz, an dem Jesus durch seinen Tod allen Glaubenden das Leben wiederbrachte.

Wer auf das Kreuz Jesu sieht, sieht dort, wie weit die Liebe Gottes zu gehen bereit ist.

Das Kreuz ist das Zeichen der Barmherzigkeit und der Gnade Gottes geworden. Unter dem Kreuz finden wir Vergebung. Hier wird mein Gewissen beruhigt. Hier findest Du Trost. Ja, es stimmt, die giftigen Schlangen sind immer noch da, auch für glaubende Menschen ist das Leben kein Spielplatz. Aber wer im Bewusstsein seiner Schuld und seiner Bedürftigkeit auf Jesus vertraut, an die Liebe Gottes glaubt, der wird leben. In Zeit und Ewigkeit.

Amen.

Schlaue Schlange…

Heute habe ich im Gottesdienst einen Abschnitt aus den Urgeschichten der Bibel vorgelesen bekommen und bin an einem Aspekt hängen geblieben, den ich bisher immer einfach übersehen habe: Die Schlange, so heißt es da, war listiger und schlauer als alle anderen Tiere.

Ich kenne mich mit Schlangen überhaupt nicht aus, vor ein paar Tagen habe ich hier geschrieben, dass sie mir eher unheimlich sind. Seitdem habe ich ein bisschen gegoogelt und weiß jetzt genauer, was ich vorher auch schon wusste. Schlangen sind Reptilien ohne Beine, sie legen Eier wie Vögel oder Dinosaurier, mit denen sie viel enger verwandt sind als zum Beispiel mit Aalen oder Würmern. Manche Schlangen sind giftig, andere sind sehr groß und können Tiere und Menschen erwürgen, wieder andere können ihren Unterkiefer und ihren Oberkiefer auseinander haken und dann Tiere ganz herunter würgen, die viel größer sind als sie selber, ganz mit Fell und Schwanz und Haut und Haar.

Manches ist im Internet zu finden, aber eine Antwort auf die Frage habe ich nicht gefunden: sind Schlangen schlau und listig?

Am Anfang geht es erst einmal darum: wie könnte man Intelligenz bei einer Schlange erkennen, und wie könnte man sie mit anderen Intelligenzen vergleichen?

Schlangen sind geschickte Jäger. Das müssen sie aber auch sein, sonst würden sie im harten Überlebenskampf in Dschungel und Wüste schnell zugrunde gehen. Gift, Kraft und Körpergröße können Sie geschickt und effektiv einsetzen. Im Zählen und Rechnen sind sie nicht besonders gut; und wenn es z.B. darum geht, durch ein Labyrinth zu kriechen, dann sind andere Tiere viel schneller und geschickter. Wenn sie genug gefressen haben, suchen sich Schlangen ein dunkles und warmes Plätzchen, wo sie in Ruhe und relativer Sicherheit verdauen können. Ansonsten lassen sie ihre Umwelt in Ruhe und wollen in Ruhe gelassen werden. ( Ich finde das ja eigentlich schon ziemlich schlau…)

Anscheinend ist das Konzept Intelligenz im Laufe der Evolution mehrfach entstanden. Ameisen, Bienen und Termiten, Libellen und Hornissen sind auf ihre Art sehr schlau, wenn schon nicht als Einzelexemplar, dann doch wenigstens als Schwarm – Intelligenz. Geckos, Lurche und Schlangen sind – in ihrem jeweiligen Lebensraum und in den ihnen entsprechenden Bedingungen – sicher angemessen klug. Raben, Spatzen und Hühner  – die Nachfahren der Dinosaurier – können auch mithalten, sogar nach den eher modernen Kriterien unserer Spezies. Sie nutzen als Kulturfolger unsere Lebensräume und Ressourcen mit.

Tintenfische und Delfine gelten als hoch intelligent, nicht wenige Wissenschaftler schätzen ihre Intelligenz als höher ein als die der Menschen. Warum auch immer.

Dass in der Schöpfungsgeschichte der Bibel von der verführerischen und listigen Schlange die Rede ist, liegt meiner Ansicht nach daran, dass es bei den Völkern in den Ländern um den Staat der Hebräer herum Sonnen- und Wetter-Gottheiten gab, die als beinloser Lurch oder als geflügelte Schlange dargestellt wurden  –  eigentlich einem Drachen ähnlicher als der guten alten Kaa aus dem Dschungelbuch. Von diesen Bildern und den dahinter liegenden Prinzipien des von vielen anderen Göttern belebten Kosmos wollten sich die Juden distanzieren. Wo Sonne, Mond und Sterne nur Lampen am Himmel sind und auch der Himmel und die Erde bloße Geschöpfe des einen, undarstellbaren und unfassbaren  Gottes sind, da kann auch eine Schlange wie Marduck und ein geflügelter Drache wie Schemmesch nicht mehr sein als eine Art kluges Tier.

Darum kommt die Schlange bei der Vertreibung des ersten Menschenpaares aus dem Paradies so schlecht weg: fortan muss sie auf dem Bauch kriechen und Staub und Erde fressen, die Kinder Evas werden ihr den Kopf zertreten und sie wird sich wehren und dem Menschen in die Ferse stechen, wann immer sie die Gelegenheit bekommt…

Sepia is the New Orange

An diesem Wochenende habe ich einen wunderschönen Youtube-Kanal entdeckt: die postmodern Jukebox mit den Arrangements von Scott Bradlee.

In den letzten zehn Jahren hat er hunderte Klassiker aus Jazz, Rock, Blues, Swing, Country, Pop, Filmmusik und RnB-Musik im Stil der Zwanziger und der Fünfziger neu arrangiert, und seine Stücke werden in diesen Videos kongenial von seiner Band aufgeführt, so unglaublich stilsicher und auch für die Augen ein Genuss. Und die Sängerinnen und Sänger sind einfach atemberaubend schön…

Hier schicke ich Euch eine Auswahl von den Videos, die inspiriert sind von Filmmusik und von den Soundtracks aus bekannten Computerspielen. Ich hoffe, Ihr habt Spaß damit. Es lohnt sich aber sehr, auch die anderen Playlisten auf diesem Kanal anzuschauen. Ich glaube, ich werde das ganze Wochenende damit beschäftigt sein…

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Verdrossen an der Stange leben…

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Irgendwie sind sie auch Nerds, diese Pfarrer. Heute haben wir in einer Arbeitsgruppe zur Predigtvorbereitung dem Spieltrieb nachgegeben und aus den Worten des Predigttextes vom übernächsten Sonntag eine Collage gebaut. Natürlich kommt ziemlich viel Quatsch dabei raus, und für die Predigt nutzt es gar nichts, aber es macht Spaß.

Wenn man sich den nicht ab und zu gönnt, kann man ja auch gleich verdrossen an einer Stange leben…

Ansonsten heute eher schlechte Nachrichten, wenig Zeit und keine Lust…

Schlangen…

Wenigstens das habe ich mit Indiana Jones gemeinsam: Schlangen sind mir unheimlich.

Als ich in der dritten Klasse meiner Grundschule in Braunschweig war, brachte ein Lehrer, der Kontakt zu einem kleinen Privat-Zoo hatte, eine Schlange mit in den Naturkunde-Unterricht. Fasziniert sahen wir das beinahe einen Meter lange Tier an, wie es sich um den Arm unseres Lehrers wickelte und mit eleganten Bewegungen sich mal hierhin, mal dorthin drehte. Sie glänzte in hellem grün und hatte rote Streifen und Flecken an ihrem Kopf. Manche waren so mutig, die Schlange anzufassen oder zu streicheln, und ein ganz tapferes Mädchen ließ sich die Schlange sogar wie eine Kette um den Hals legen. Angeblich war sie kalt und trocken, dir Schlange, und überhaupt nicht glitschig oder schleimig…

Wir haben in den darauf folgenden Tagen viel gelernt über Reptilien, über giftige Tiere und die Art, wie sie jagen, über Dinosaurier und andere Tiere, die Eier legen, dass Schlangen sich regelmäßig häuten müssen, solange sie wachsen und viel mehr. Aber den Mut, eine Schlange anzufassen, hatte ich nie…

Zeit des Gedenkens…

In meinen Orten wird morgens um acht die Totenglocke geläutet, wenn jemand aus der Gemeinde verstarb. Heute früh waren zwölf Menschen an der Kirche, während ich geläutet habe, und haben mit mir für den jungen Mann gebetet, der so ganz plötzlich und unerwartet gestorben ist.

Psalm 51, für einen Aschermittwoch mit Jugendlichen



I. Gott, ich habe Vieles gedacht, gesagt und getan,

was mir später leid getan hat.

II. Ich bin schuldig geworden an den Menschen, die ich liebe

und habe die enttäuscht, die mir wichtig sind;



I. Niemand ist vollkommen, das weiß ich,

und trotzdem schäme ich mich,

eigentlich will ich nicht so sein.

II. Bist Du zornig über mich, Gott?

Du kennst mich gut; habe ich auch Dich enttäuscht?



I. Wirst Du mich verändern, Gott?

Wirst Du mich heilen, mich und auch die, denen ich weh getan habe?

II. Ach Gott, dir gefällt es, wenn ich die Wahrheit sage,

du weißt alles, und du zeigst mir, was richtig und gut ist.



I. Schaffe in mir, Gott, ein reines, treues Herz,

und gib mir einen neuen, festen und zuverlässigen Geist.

II. Wende dich nicht von mir ab, verlasse mich nicht!

Nimm deinen Heiligen Geist nicht weg von mir.



I. Wenn DU mir hilfst, freue ich mich,

wenn Du an meiner Seite bist, habe ich Mut.

II. Mit Dir kann ich die Prüfungen des Lebens bestehen.

An deiner Hand kann ich den richtigen Weg finden.



Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste,

wie es war im Anfang, jetzt und allezeit und in Ewigkeit.

Amen.



Quantanamera!

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Ich bin immer noch „Strohwitwer“, und heute habe ich die Gelegenheit genutzt, abends mal allein weg zu gehen. Ich bin in meine „alte Heimat“ gefahren, nach Schöneberg in den Kiez, den es in Lichtenrade einfach nicht gibt.

Im Varadero habe ich mich an einen kleinen Tisch gesetzt, einen Negroni bestellt und die Atmosphäre auf mich wirken lassen. Das Varadero ist eine traditionsreiche Cocktailbar mitten im Schöneberger Kiez. Die Cocktails sind authentisch, ohne viel Schnickschnack in einfachen Gläsern, aber preiswert und lecker. So, stelle ich mir vor, sind sie in Kuba auch. Es sind jedenfalls immer viele Kubanerinnen und Kubaner da in der Bar, die dort im großen Freundeskreis feiern oder zu zweit und zu dritt den Abend ausklingen lassen.

Von meinem Barhocker aus kann ich den Laden gut überblicken: direkt neben mir sitzen zwölf Leute um einen großen Tisch, reden und lachen und vergessen die Welt um sich herum. Ich komme mir vor wie ein Geheimagent, beinahe ist mir so, als müsste ich eine Zeitung vor dem Gesicht haben, damit mich niemand erkennt. Von den Gesprächen verstehe ich nichts, aber ich kann die Menschen gut beobachten. Es stört sie nicht, sie merken es wohl nicht einmal, nur eine wunderschöne schwarze Frau mit Ohrringen, geflochtenen Zöpfen und tiefdunklen Augen sieht mich kurz an, lächelt und diskutiert dann mit ihrer Freundin weiter.

Weiter hinten in der Ecke stehen kleinere Tische, dort sitzen Vierergruppen, Männer, die lautstark über schnelle Autos reden, Frauen, die sich gegenseitig Bilder auf ihren Handies zeigen, Paare, die sich an den Händen halten, gemeinsam schweigen und nur ab und zu an ihrem Cocktail nippen. Sie werden noch lange dort sitzen, zu zweit sich selbst genug.

Ich bin der Einzige, der dort alleine sitzt. Ich stelle mir vor, ich sei ein Schriftsteller, ein Autor, der Inspiration für seine nächsten Bücher sammelt. In solchen Bars fangen Geschichten an: die zwei Paare, die dort drüben angeregt in einem Fotoalbum blättern – planen sie ein gemeinsame Reise nach Kuba, wo sie noch viel mehr Fotos machen, dann zufällig zu Zeugen eines Überfalls werden, ihre Kameras darauf halten und dann mit den Fotos den Pulitzer-Preis gewinnen? Das vertraute Paar dort hinten in der Ecke – werden sie ein dramatisches Jahr erleben, weil sie entdeckt, dass sie in Wirklichkeit lesbisch ist und nie mehr als freundschaftliche Gefühle für ihn haben wird? Und die zwölf Leute am Tisch direkt neben mir  – werden sie eine Wohngemeinschaft gründen, sich zusammen an Aktionen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit beteiligen und zuletzt berühmt werden, weil sie miteinander einen Film drehen, der acht Oskars gewinnt?

Alles ist möglich, und ich werde von all diesen Geschichte nie etwas erfahren.

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Mein Glas ist leer, nur noch die Orangenscheibe und ein halbes Dutzend Eiswürfel sind darin; ich bezahle und verschwinde noch einmal in der Herrentoilette… Dort haben sich über ein Jahrzehnt unzählige Männer mit Filzstiften oder Kugelschreibern verewigt, und die Besitzer haben all die Zeichnungen und Tags nie übermalen lassen  – auch sie tragen zu der besonderen Atmosphäre dieses Lokals bei…

Dann gehe ich, laufe durch die dunklen Straßen zu meiner Bushaltestelle. Bis ich zu Hause bin, wird es fast Mitternacht sein. Ich genieße die Erinnerung an diesen schönen Abend, die sich vermischt mit dem Gedanken an die vielen Male, die ich hier war, als wir noch im Kiez gewohnt haben, meine Frau und ich. Nach der Fastenzeit müssen wir wieder mal zusammen hier her fahren. Manchmal ist es gut, schöne Erinnerungen neu mit Leben zu füllen…