Ach, Gott, du weißt schon…

Warum ich bete, ist schwierig zu erklären. Jemand, der selbst auch gläubig ist, wird auch selbst beten und wird selbst wissen, warum er das tut. Jemandem, der nicht an Gott glaubt, wird schwer klar zu machen sein, warum ein Gebet etwas anderes ist als ängstliches Pfeifen im Dunklen oder ein Gespräch mit dem unsichtbaren Phantasiefreund in der Kinderzeit.

Als erwachsener Mensch mit einer modernen, auch in den Naturwissenschaften geübten Bildung fällt es mir nicht ein, in meinen Gebeten ganz einfach Bitten um ein übernatürliches Eingreifen Gottes auszusprechen, so wie ich es als Kind eine Zeit lang ziemlich selbstverständlich getan habe: Wenn ich einen Schlüssel verloren habe, wenn ich mir eine gute Note in einer Prüfung gewünscht habe, wenn ich Zahnschmerzen habe – dann habe ich gebetet. Es steht doch schon in der Bibel: „Rufe mich an in der Not, so will ich dich hören, und du sollst mir danken!“ Mir fällt aber oft nicht mehr ein als innerlich zu seufzen: „Ach Gott… Du weißt schon!“

Auch viele erwachsene Christenmenschen beten so, und wenn ich mir die Gebete in den liturgischen Büchern der Kirchen in Deutschland ansehe, ist es auch in den gemeinsamen Gebeten im Gottesdienst nicht anders. Um Frieden in der Welt wird da gebetet, um genügend Nahrung für alle Menschen, um Gesundheit und Glück für die Menschen in der Gemeinde und um ein glaubwürdiges und wahr-nehmbares Anteilnehmen der Kirche an den Aufgaben der Gesell-schaft. Wir beten um Schutz für unsere Kinder, um Bewahrung während einer Reise, um Erfolg bei unserer Arbeit und um einen sanften und schmerzfreien Tod für die, denen nichts anderes mehr helfen kann.

Wer aber ernsthaft so betet, der glaubt auch, dass Gott in den Alltag der Glaubenden eingreift, sozusagen Schutzengel schickt, die Unfälle verhindern und Viren unwirksam machen; wer betet, der glaubt, dass Gott Generälen, Politikern und Wirtschaftsbossen neue Gedanken und Ziele in die Köpfe pflanzt, damit sie das Wohl der Umwelt und der Völker über ihren Egoismus stellen… Wer ernsthaft so betet, der erwartet Wunder.

Wenn ich nicht mehr an diese Art Wunder glauben kann, kann ich dann auch nicht mehr beten? Wenn ich das Gefühl habe, dass Gott ganz weit weg oder sogar unerreichbar für mich ist, wer hört dann mein Gebet? Wenn ich glaube, dass die Welt nach mathemathischen und physikalischen Gesetzen funktioniert und selbst Gott diese Regeln nicht bricht, weil jemand betet – welchen Sinn hätte das Gebet dann noch? Wenn ich erfahre, dass mein Gebet unerhört und wirkungslos bleibt, habe ich dann nur nicht ausdauernd genug, nicht kräftig und energisch genug gebetet? Hat es mir an dem wahren Glauben gefehlt?

Im Lukas-Evangelium wird erzählt, dass die Jünger Jesus fragten, wie man denn „richtig“ beten solle. Jesus antwortete ihnen, dass das Gebet nicht eine Art Schauspiel sein soll, eine Performance, mit der wir andere Menschen beeindrucken wollen. Gott hört uns nicht besser, wenn wir viele Worte machen; und wir sollen unser Gebet nicht missbrauchen, um Frömmigkeit zu demonstrieren und unsere Glaubenskraft anderen vor Augen zu stellen. Wer so betet, sagt Jesus, der hat seinen Lohn schon dahin.

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Als Beispiel für ein richtiges und angemessenes Gebet gibt Jesus seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern das „Vater unser“. So sollt ihr beten, nicht mit vielen Worten, nicht gierig oder selbstgerecht, sondern glaubend und vertrauend, weil ihr wisst, dass ihr in Gottes Händen seid und von Seiner Gnade lebt:

Der Anfang des Gebets setzt eine tiefe, vertraute Beziehung voraus. Jesus sagt: „Ihr dürft Gott Vater nennen!“ Gebete richten sich nicht an eine unpersönliche Macht, nicht an eine nebulöse Geistkraft, nicht an das Universum. Unser Gebet hat eine Adresse, ein egenüber, jemanden, der zu hört. Gebete sind nicht nur Meditation oder Atem-übungen. Wer betet, vertraut auf die Treue und die Liebe Gottes. Jesus ist dafür zuerst das Bild vom Vater in den Sinn gekommen; er hat wohl immer so gebetet: „Abba! Lieber Vater!“ Seine Hände haben uns geschaffen, in seinen Händen leben wir, in seine Hände kehren wir zurück. Ohne ihn sind wir nichts, aber durch ihn ist uns alles gegeben. Darauf sollen wir vertrauen, dies ist der Grund unserer Hoffnung.

Aber die Bitten, die Jesus seinen Jüngern in den Mund legt, sind nicht die diesseitsbezogenen Wünsche, die wir so oft vor Gott bringen. Die erste Bitte beginnt bei Gott und bleibt auch gleich bei Gott stehen. Dein Name werde geheiligt. Geehrt und gewürdigt sein soll der Name Gottes, nicht mißbraucht, um Menschen zu verführen oder zu manipulieren. Gott soll nicht benutzt werden, um eigene Ziele zu erreichen, auch sein Name soll nicht eigene Fehler beschönigen oder Hintergedanken vertuschen. Mit Ehrfurcht und Respekt soll der Name genannt werden.

Martin Luther schreibt zu dieser Bitte: „Der Name Gottes ist zwar in sich selbst heilig und würdig, darum bräuchte es diese Bitte eigentlich nicht; wir bitten aber, dass er auch bei uns geheiligt werde.“ Gerade im Gebet wird der Name Gottes auf die richtige Art geheiligt, nämlich darin, dass wir ihn voller Vertrauen und Glauben aussprechen. So lassen wir Gott Gott sein und richten uns nicht länger selbst den wichtigsten Platz in unserem Leben und in der Geschichte ein.

Ebenso bleibt auch die zweite Bitte ganz bei Gott. „Dein Reich komme!“ Luther schreibt dazu: Gottes Reich kommt auch ohne unser Gebet von selbst, aber wir bitten in diesem Gebet, daß es auch zu uns komme. Ohne den Namen Gottes für die eigene Einstellung zu mißbrauchen wird hier auch ein starkes politisches Statement gesetzt: Die Reiche dieser Welt vergehen, aber Gottes Reich bleibt bestehen. Die Herren dieser Welt haben ihre Zeit, aber sie wird einst Vergangenheit sein. Aber unser Herr kommt, sein Reich beginnt in unserer Mitte und wird vollendet zu seiner Zeit. Mit dieser Bitte bekennen wir unseren Glauben und erinnern uns selbst daran, daß er unsere Zukunft ist.

Genau so beschreibt Luther auch die dritte Bitte: „Dein Wille geschehe!“ Gottes Wille geschieht in dieser Welt. Wir beten aber, daß auch bei uns, bei denen, die so beten, Gottes Willen geschehen soll.

Erst jetzt, bei der vierten Bitte, nimmt Jesus die Dinge dieser Welt in den Blick. „Unser tägliches Brot gib uns heute!“ Hier wie nirgendwo sonst bekennen wir, dass wir abhängig sind von allem Guten, das Gott uns gibt, und dass wir es uns trotz aller Wissenschaft und mensch-lichen Weisheit nicht selbst geben können. Was wir zum Leben brauchen, ist Geschenk und Gabe Gottes.

Sonst müsste ich ja nicht bitten. Für mich selbst. Für andere. Für diese Welt. Es fehlt uns das tägliche Brot oder die liebevolle Umarmung. Es fehlt uns das Reich der Gerechtigkeit. Uns fehlt die Herrlichkeit, die Kraft. Es fehlt uns die Gewissheit, es richtig zu machen.

Beten heisst auch: Gott an mich ran lassen. Ganz nah. Mich öffnen, ihm diese Stelle in meiner Seele zeigen – dunkel wie die Tiefsee, dort, wo ich mir selbst ein Rätsel bin. Und jene andere, scharf wie ein Messer, gnadenlos gegen mich selbst und gegenüber anderen Menschen. Aber auch die: so bunt und wuchernd und lebendig, dass ich meine, sie verbergen zu müssen, zu unpassend erscheint sie. Jetzt, wo unser Außen so klein geworden ist, wird unser Innen womöglich groß und größer. Und dann hilft nichts als Beten.

Es hilft, das Unverfügbare zu denken: Die Welt ist nicht in unsrer Hand. Und auch nicht die, die wir lieben – so sehr wir uns um sie sorgen. Ich selbst bin nicht in meiner Hand. Aber da ist etwas. Vater. Mutter. Himmel. Macht hell und vergibt. Da ist etwas. Einer. Eine. JHWH. Wir atmen seinen Namen. Sein Reich komme. Sein Wille geschehe. Tag für Tag gibt er, was wir brauchen. Gott – größer als wir. Von ihm kommen wir. Zu ihm gehen wir. Er weiß, was Not tut, schon bevor wir bitten. Und manchmal: obwohl wir um Anderes bitten.

Und das geht überall. „Im stillen Kämmerlein“ sagt Jesus. Das kann das Wohnzimmer sein, die Küche, die Wäschekammer, das unaufgeräumte Kinderzimmer. Oder das Bad mit dem Spiegel, in dem ich mich selbst ganz ungeschminkt sehe. Das kann auch das Büro sein, oder die Schule. Das stille Kämmerlein kann überall sein. Welcher Ort ist Deiner, wenn du für dich sein willst? Vielleicht ist da ein guter Ort um zu beten. Vielleicht reicht es auch, irgendwo zur Ruhe zu kommen.

Wenn Wir beten, dann hört Gott zu. Im Verborgenen kann ich mit ihm reden. Da sieht mich keiner, wenn ich weinen muss, oder nicht mehr weiter weiss. Dann kann ich beten, dann muss ich nicht viele Worte machen, dann kann ich mich meinem Vater in die Arme werfen: Lieber Gott, du weisst schon.

Jung und schön, beweglich und fit…

„Wenn Du morgens wach wirst und es tut Dir nichts weh, dann kann es sein,  dass Du tot bist.“ Das hat meine Mutter oft gesagt und dabei geschmunzelt und mit den Augen gelacht. Heute ist sie 84 Jahre alt und wohnt in einer kleinen Wohnung in einer Seniorenresidenz  Dort erlebt sie es jetzt täglich, wie der Rücken schmerzt, die Beine steif sind, wie die Schultern weh tun; kurz, wie unerbittlich das Alter sein kann. Für sie ist es normal geworden, dass morgens etwas weh tut. Alt werden ist nichts für Feiglinge, und für manche Menschen ist es eine schwere Last.

Aber meine Mutter hat auch gesagt: „Man ist so jung,  wie man sich fühlt…“ Trotz des Alters und der Schmerzen ist meine Mutter immer eine Frau geblieben, die sich gerne um andere Menschen kümmert, die gerne die Gastgeberin für Freunde und Nachbarn ist, die es liebt, Mittelpunkt einer trubeligen, fröhlichen Feier zu sein.

Ich stelle mir vor, dass es dem Paulus aus der Bibel ganz ähnlich ging, als er so langsam alt wurde. Morgens erwacht er in einer kalten Stube in einer alten, zerbrechlichen Hütte,  mühsam quält er sich aus dem Bett, streckt die Glieder, schüttelt den Kopf, versucht, sich an die Gespräche des letzten Abends zu erinnern. Er wirft sich ein paar Hände voll Wasser in sein Gesicht, trocknet sich ab, wird endlich wach und setzt sich noch vor dem Frühstück an seinen Schreibtisch.

„Denn unser äußerer Mensch verfällt…“ beginnt er zu schreiben. Ja, so ist es. Wenn Du morgens wach wirst und es tut dir nichts weh, dann kann es sein, dass du tot bist… Daran kommt niemand vorbei. Aber Paulus schreibt weiter… „Wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der inwendige täglich erneuert durch die Kraft Gottes, durch den Heiligen Geist. „

Halleluja! Wie wunderbar ist das: weil wir Anteil haben daran, dass Christus auferweckt wurde, werden auch wir auferweckt, erneuert am inneren Menschen; weil Jesus lebt, darum hat auch der Tod kein dauerhaftes Recht an uns. Der Leib verfällt, aber der innere Mensch wird von Tag zu Tag erneuert.

Innerlich jung zu bleiben, das heißt zum Beispiel, dass ich nicht das Interesse verliere an der Welt um mich herum. Ich ziehe mich nicht in meine Wohnung zurück, sitze vor dem Fernseher, sehe die Nachrichten und denke traurig, wie schlimm alles ist und dass ich ja doch nichts ändern kann. Wenn ich Innerlich jung bin, nehme ich Anteil, habe Hoffnung und Glauben, habe einen Traum, wie einst Martin Luther King ihn hatte, der sich nicht abfinden wollte mit dem alltäglichen Rassismus, mit der Menschenverachtung, der Gewalt und dem Hass in der Gesellschaft in seiner Zeit.

Ich habe einen Traum, sagte er in seiner berühmtesten Predigt, und dieser Traum hat ihn befeuert, angetrieben und gestärkt, dies war der Heilige Geist in seinem Leben.

Menschen, die in den Spuren Jesu gehen, erleben immer wieder, wie sie die Kraft Gottes in sich spüren. Interesse am Leben der Nachbarn, Hilfe für die Bedürftigen im Ort, Begeisterung für das Leben von Kindern und Enkeln, alles das hält jung und beweglich. Wenn auch der äußere Mensch verfällt, wird doch durch solche Energie der innere Mensch täglich erneuert.

Man ist so alt wie man sich fühlt. Wichtig sind da nicht die vielen Methoden der Selbstoptimierung, keine Fitness-Tipps und Ratschläge zur Verbesserung des täglichen Lebens. Wichtig ist das Wort Gottes: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“

Wenn Sie zufrieden sind, erzählen Sie es weiter…

Früher klagten Pfarrer oft darüber, dass sie kaum Bestätigung oder Kritik aus ihrer Gemeinde bekommen haben.

Die Gemeindeglieder saßen in den Bankreihen der Kirche, blätterten in den Gesangbüchern, bewunderten die bunten Kirchenfenster und die Altarbilder oder träumten einfach nur vor sich hin.

Am Ausgang der Kirche bekam der Pfarrer die Hand gedrückt, man sagte „Danke“ und „schönen Tag noch…“ und ging nach Hause.

Es war egal, ob er ein paar freundliche Worte von der Kanzel gesprochen hatte oder heftig provoziert, ob er Erwartbares gesagt hatte oder Überraschendes, ob er die Predigt vom letzten Jahr „aufgewärmt“ hatte oder seine Themen aus der jüngsten Tageszeitung entnommen.

Jeden Sonntag bekam er an der Tür von den Gottesdienstbesuchern das gleiche freundliche Lächeln,  und er musste selbst mit sich selbst ausmachen, ob er wohl den richtigen Ton getroffen hatte.

Aber diese Zeiten sind vorbei. „Interessant ist ’s gewesen!“ sagen die Gemeindeglieder heutzutage, manchmal stellen sie die eine oder andere Frage, weil sie irgendetwas besonders spannend fanden oder nicht verstanden haben. „Gut war es, ich habe gerne zugehört.“

Wenn jemand so etwas sagt, freut sich der Pfarrer und setzt sich am Montag schon motiviert und begeistert an die Predigt für den Gottesdienst am nächsten Sonntag.

Sogar nach Trauerfeiern kommt es immer wieder vor, dass die Angehörigen nach dem Gottesdienst mit Tränen in den Augen – aber lächelnd – sagen: „Gut haben Sie das gemacht…“ Und dann laden Sie den Pfarrer zum Kaffee ein…

Ich freue mich ja sehr darüber, schon weil ich ziemlich oft positive Reaktionen bekomme – und trotzdem frage ich mich: Woher kommt das? Wieso glauben die Leute, jetzt alles bewerten und benoten zu müssen – und zu können…?

Ist das eine Nachwirkung des Systems Internet: „Alles gut; fünf Sterne; gerne wieder!“? Wenn man nach jeder Reise, nach jeder Fortbildung und nach jeder größeren Anschaffung seitenweise Fragebögen ausfüllen soll, in denen man gefragt wird, ob man zufrieden war und wie man den Service wohl noch verbessern könnte – ist uns das so in Fleisch und Blut übergegangen, dass jetzt auch Gottesdienste und Gemeindefeste ungefragt bewertet werden?

In der Kirche ist eine Art Qualitätskontrolle immer noch sehr selten, und Kriterien z. B. für gute Predigten sind bestimmt nötig und hilfreich.

Mir kommen dabei nur immer die Worte Luthers in den Sinn,  der gesagt hat, man solle doch den Leuten nicht nach dem Munde reden. „Fühlst du dich aber und läßt dich dünken, du habest es gewiß, und kitzelst dich mit deinen eigenen Büchlein, Lehren oder Schreiben, als habest du es sehr köstlich gemacht und trefflich gepredigt, gefällt es dir auch sehr, daß man dich vor anderen lobe, willst auch vielleicht gelobt sein, sonst würdest du trauern oder nachlassen, – bist du von der Art, Lieber, so greif dir selber an deine Ohren. Und greifst du recht, so wirst du finden ein schön Paar großer, langer, rauher Eselsohren. So wende vollends die Kosten dran und schmücke sie mit güldnen Schellen, auf daß, wo du gehst, man dich hören könnte, mit Fingern auf dich weisen und sagen: Seht, seht, da geht das feine Tier, das so köstliche Bücher schreiben und trefflich wohl predigen kann.“

Sicher kann man heute nicht mehr so predigen, wie Luther es getan hat, aber dieser Rat bleibt weiter gültig und ich will ihn befolgen: um den Glauben an Christus und um die gute Botschaft von der Liebe Gottes soll es gehen – nicht um den Gedankenkitzel und die intellektuelle oder emotionale Befriedigung der Gemeinde, um die Befreiung zu einem Leben aus dem Vertrauen zu Gott und nicht um den Respekt oder die Ehrerbietung gegenüber den Predigenden. Denn wenn man den Leuten nur sagt, was sie hören wollen, wird man nichts in Bewegung setzen…

Schlangen, Schlangen in der Wüste…

Da brachen sie auf von dem Berge Hor in Richtung auf das Schilfmeer, um das Land der Edomiter zu umgehen. Und das Volk wurde verdrossen auf dem Wege und redete wider Gott und wider Mose: Warum habt ihr uns aus Ägypten geführt, dass wir sterben in der Wüste? Denn es ist kein Brot noch Wasser hier, und uns ekelt vor dieser mageren Speise.

Da sandte der Herr feurige Schlangen unter das Volk; die bissen das Volk, dass viele aus Israel starben. Da kamen sie zu Mose und sprachen: Wir haben gesündigt, dass wir wider den Herrn und wider dich geredet haben. Bitte den Herrn, dass er die Schlangen von uns nehme. Und Mose bat für das Volk.

Da sprach der Herr zu Mose: Mache dir eine eherne Schlange und richte sie an einer Stange hoch auf. Wer gebissen ist und sieht sie an, der soll leben. Da machte Mose eine eherne Schlange und richtete sie hoch auf. Und wenn jemanden eine Schlange biss, so sah er die eherne Schlange an und blieb leben.

4. Buch Mose, Kapitel 21, Verse 4 bis 9

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Da ist sie wieder, die alte Frage: Wie kann Gott das zulassen?

Er selbst war es doch, der Moses berufen hat, mit den Israeliten aus Ägypten zu fliehen. Mit großen, unfassbaren Wundertaten hat er selbst die Israeliten begleitet und geführt, hat das Meer geteilt, so dass Israel mit trockenen Füßen hindurch ziehen konnte, hat die unbesiegbare Armee des Pharao vernichtet, so dass kein Reiter, kein Pferd, kein Streitwagen übrig blieb. Am Berg Sinai hat er den Seinen die Tafeln des Bundes gegeben, die zehn Gebote, die mit den Worten beginnen „Ich bin der Herr, dein Gott…“

Wo hat man es jemals gehört, dass Gott sich so mit seinen Leuten verbindet, dass er sich in einem Vertrag verpflichtet und schwört: „Ich will euch segnen, und ihr sollt ein Segen sein für alle Völker der Welt…“? Voller Staunen über diese Wunder waren sie, die anderen Völker, und Entsetzen ergriff sie über die machtvollen Taten, die Gott für Israel tat.

Aber dann kippte die Stimmung. Nach Jahren in der Wüste wurden die Menschen mürrisch, sie wurden sogar der Wunder Gottes überdrüssig. So sind wir wohl, wir Menschen, wir können uns an Hunger und Not gewöhnen, aber auch an Überfluss und Reichtum, und irgendwann tritt Gewöhnung ein und Langeweile, und wir werden unzufrieden mitten im Segen, wir spüren Hunger mitten im Überfluss, den Gott schenkt.

Und so murrten sie nicht nur über Moses, der alles Menschenmögliche tat, um das Volk sicher durch die Wüste zu bringen, vorbei an den anderen Völkern, die ihre Besitzansprüche mit Waffengewalt verteidigen würden, vorbei an den trockenen Tälern des Todes, in denen es kein Wasser gab und in denen Mensch und Tier elend zugrunde gehen mussten, weiter in immer neue sichere Oasen, wo sie sich erholen und neue Kraft schöpfen konnten – sie murrten auch gegen Gott, der ihnen die Gebote gegeben hatte und der sich ihnen zu eigen erklärt hatte in diesem Bund, in dem es hieß: Du sollst keine anderen Götter neben mir haben…

Reden aus Angst übertönten die Worte des Vertrauens, Aufruhr zerstörte den Frieden, Eigensinn vernichtete die Gemeinschaft, Hass besiegte die Liebe und die Versprechen der Vergangenheit wurden vergessen ebenso wie die Verheißungen einer besseren Zukunft.

Und da waren sie plötzlich, diese kleinen, so tödlich giftigen Schlangen. Sie schlichen in Zelte, versteckten sich unter Decken, lauerten unter den Sätteln der Reittiere, waren sogar in den Betten, und selbst auf den Toiletten war man nicht sicher. Sie waren überall, und ihr Biss brachte den Tod. Schmerzhaft waren die Wunden, die unscheinbaren roten Punkte am Arm, am Bein, am Gesäß, und von diesen vergifteten Wunden aus breitete sich eine quälende Hitze durch den ganzen Körper. Wer gebissen war, hatte nur noch wenige Tage, in denen er sich schwitzend im Krankenbett hin und her wälzte, bis endlich der Tod ihn erlöste…

War es die Strafe Gottes für den Aufstand der Israeliten gegen Moses? War es die verdiente Folge ihrer Rebellion gegen Gott? Oder war es purer Zufall, dass ausgerechnet hier in der Wüste die Plage das Volk Israel traf wie vorher die Ägypter getroffen wurden von Heuschrecken, Fröschen, Finsternis und dem Engel des Todes, der alle Erstgeborenen tötete?

Was also war der Sinn hinter diesem hundertfachen Sterben? Waren die Schlangen des Werkzeug der Rache Gottes, das Instrument, mit dem er unbarmherzig und eifersüchtig seine untreuen Bundesgenossen züchtigte? Hatte Gott die Israeliten, sein auserwähltes Volk, aus Ägypten geführt, um sie hier in der Wüste sterben zu lassen? Hatte er ihnen nicht seinen Segen versprochen, seine Liebe, ein besseres Leben?

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Viele Jahre waren die beiden verheiratet. Es war so, wie sie es sich immer erträumt hatte, zuerst die Hochzeit in der Kirche, das weiße Kleid, die vielen Freunde, die ausgelassen tanzten… Dann die Hochzeitsreise, später das erste und das zweite Kind, ein Haus mit Garten, Geburtstagsfeste, Reisen… Jahre voller Glück. Aber dann kamen sie auch hier aus allen Verstecken, die  giftigen Schlangen… Gab es Grund für Eifersucht? Warum erzählte er nichts von dem, was er auf seiner Dienstreise erlebt hatte? Warum wurde er rot im Gesicht, wenn er über seine junge Kollegin sprach? Warum blieb er immer öfter abends lange weg? Was stellte sich da zwischen sie?

Sie redeten nicht darüber, aber sie spürten beide diese Veränderung. Sie stellte keine Fragen, trotzdem gab es immer öfter Streit. Es war wie ein Schlangenbiss, der ihre Ehe vergiftete. Misstrauen legte sich über die Liebe und ließ die Tage grau und fade werden. Auch sie wurde einsilbiger, in ihrer Traurigkeit ließ sie ihrer Phantasie freie Bahn, ihre Träume lernten fliegen, aber ihr Mann kam immer seltener darin vor.

Und während beide im Bett liegen – inzwischen schon in getrennten Zimmern – fragen sie sich: Was ist nur geschehen? Welche Fehler haben wir gemacht? Will Gott uns bestrafen? War er es nicht, unter dessen Segen wir gesagt haben „Ja, ich will!“? Hatte der Pfarrer nicht bei der Hochzeit gesagt: „So sprach Gott, der die Welt erschuf: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei, darum sollen Mann und Frau einander ergänzen, sich gegenseitig lieben und ehren, einander achten und sich treu sein, solange sie leben…!“? Was ist der Sinn? Warum liegt Ihre Liebe im Sterben?

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Eigentlich war er kerngesund. Seinen Arzt sah er alle zwei Jahre zu einem Vorsorge-Check-Up. Das Übliche eben, Blutdruck messen, Ultraschall, Lungenvolumen, alles tipptopp. Der Zahnarzt lobte ihn für seine vorbildhafte Mundhygiene, eine Brille hat er nie gebraucht, höchstens im Sommer die coole Rayban mit den verspiegelten Gläsern, die ihn unwiderstehlich machte.

Da kam es wie ein Schock, als im Ultraschallbild jener kleine Knoten auftauchte, ein grauer Fleck an seiner Prostata, für den der Arzt schnell einen Namen fand: Krebs. Ein bösartiger Tumor, gerade noch rechtzeitig erkannt, behandelbar mit Chemotherapie und Bestrahlung, aber es würde eine harte Zeit werden.

Wie ein Schlangenbiss vergiftete die Angst jetzt sein Leben, jede Spritze war der Anfang neuer Qual, jede Bestrahlung nahm ihm für Wochen alle Kraft. Nichts war mehr so wie vor der Diagnose. Und regelmäßig stellte er sich die Frage: Warum ich? Warum jetzt? Und welchen Sinn hat das überhaupt… Will Gott mich bestrafen? Will er meinen Glauben testen? Was soll das alles?!

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So gern würden wir verstehen, was Gott tut, was er uns zumutet. Wenn Krankheit uns befällt, wenn geliebte Menschen sterben, wenn eine Ehe zerbricht oder eine Naturkatastrophe das Leben für immer verändert, dann suchen wir einen Sinn, einen Grund, einen göttlichen Plan hinter all dem Leid. Wir wollen hinter den Schmerzen einen Sinn erkennen, denn dann würde uns unsere Not weniger beliebig, weniger zufällig erscheinen. Wenn es einen guten Grund hinter dem allen gäbe – und sei es nur der, dass Gott uns prüfen oder strafen will – dann wäre der Schmerz leichter zu ertragen.

In der Bibel finden wir oft ähnliche Begründungen für das menschliche Leid: Adam und Eva werden aus dem Paradies vertrieben, weil sie von der verbotenen Frucht gegessen haben,  die Sintflut kommt über die Erde, weil die ganze Menschheit sich von ihrem Schöpfer abgewendet hat, Hunger, Krieg und Tod kommt über Israel, weil sie den Bund mit Gott immer wieder gebrochen haben…

Aber was, wenn Gott gar nicht so ist? Wenn er nicht kleinlich auf das Einhalten jeder religiösen Vorschrift besteht, wenn er aus Liebe zu den Menschen vieles erträgt, immer wieder vergibt und den gebrochenen Bund jedes Mal wieder neu unterschreibt?

Vielleicht ist nicht er es, der die giftigen Schlangen in den Weg der Israeliten gesandt hat, vielleicht ist das langsame Sterben der Liebe nicht eine Strafe Gottes für Ehebruch und Sprachlosigkeit in einer „Beziehung“, vielleicht ist die Krankheit nicht die gerechte Folge eines Lebens, das nach Gott nicht fragt?

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Ich glaube nicht,  dass Gott aus Zorn und Rache zuschlägt wie ein blindes Schicksal.  Ich glaube nicht,  dass Gott Unheil über die Menschen bringt, um sie zu bestrafen. Gott will nicht Leiden und Tod, er will das Leben. Er will, dass seine Liebe in uns Menschen zum Ziel kommt und ihre Erfüllung findet.

Er lässt aber den Menschen die Freiheit, ihren eigenen Weg zu gehen, ihren eigenen Willen durchzusetzen und auch gegen sein Gebot zu handeln. Dann aber muss der Mensch mit den Folgen seines Tuns leben. Er muss leben mit der Ungerechtigkeit, mit den Folgen des Klimawandels, mit den Kriegen, die er selbst heraufbeschworen…

Die Welt ist kein Spielplatz, keine virtuelle Realität, in der man nach Lust und Laune experimentieren könnte. Was hier entschieden wird, hat Folgen. Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Wer zur Waffe greift, wird Blut vergießen. Wer ungerecht handelt, macht sich Feinde. Wer die Realität nicht wahrhaben will, wird sich in seinen Irrtümern verlieren.

Gott schafft nicht das Unheil und straft nicht mit Katastrophen,  aber er lässt zu, dass die Folgen unserer Taten uns treffen. Und das kann sehr weh tun.

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Gott richtet ein Heilszeichen auf für die Israeliten auf dem Weg durch die Wüste. Gerade die Schlange, die so viel Unheil über die Menschen brachte, wird zum Symbol der Heilung. Schaut auf die Schlange und glaubt, dass Gott euch helfen will, so werdet ihr geheilt!

Es ist eine seltsame Verbindung, die hier geknüpft wird, wo als ob Gott sagen wollte: Stellt euch der Wahrheit, verdrängt nicht euer Problem, macht euch nichts vor! Die giftigen Schlangen in eurem Leben sind wirklich, die Bedrohung ist real, ihr seid in Gefahr! Da hilft es nicht, die Augen zu schließen und die Not klein zu reden; es ist nicht gut, so zu tun, als wäre da kein Problem, das es zu lösen gilt.

Wer seine Augen erhebt und auf die Schlange aus Erz schaut, die Moses aufgerichtet hat, der findet Hilfe, Trost und Heilung.

Die Schlange wurde zum Symbol der Medizin, zum Zeichen der Mediziner, der Ärzte und Apotheker. Das Symbol für Lüge und Betrug wurde zum Zeichen des Lebens. Und der Stab, den Moses aufrichtete, wurde in der christlichen Bildsprache verbunden mit dem Kreuz, an dem Jesus durch seinen Tod allen Glaubenden das Leben wiederbrachte.

Wer auf das Kreuz Jesu sieht, sieht dort, wie weit die Liebe Gottes zu gehen bereit ist.

Das Kreuz ist das Zeichen der Barmherzigkeit und der Gnade Gottes geworden. Unter dem Kreuz finden wir Vergebung. Hier wird mein Gewissen beruhigt. Hier findest Du Trost. Ja, es stimmt, die giftigen Schlangen sind immer noch da, auch für glaubende Menschen ist das Leben kein Spielplatz. Aber wer im Bewusstsein seiner Schuld und seiner Bedürftigkeit auf Jesus vertraut, an die Liebe Gottes glaubt, der wird leben. In Zeit und Ewigkeit.

Amen.

Seltene Vögel…



Christen wissen, dass Gott sie liebt –
vor aller Leistung und trotz aller Schuld.
Christen sind vor Gott gerecht gemacht,
allein durch den Glauben, allein durch Gnade.

Aber:
diese Gewissheit setzt sie in Bewegung,
diese Hoffnung treibt sie an,
dieser Glaube zeigt sich in ihren Taten.

Denn:
Christ sein kann man nicht im Sitzen,
unbeweglich und unbewegt.
Christ ist man nicht auf dem gemütlichen Sofa,
mit Limo und Kartoffelchips vor dem Fernseher.

Christ ist man im Stehen.

Christen stehen auf gegen Ungerechtigkeit.
Christen stehen ein für die Schwachen,
Christen widerstehen allem, was nicht dem Leben dient.

Christen stehen vor Gott mit ihren Gebeten.
Christen stehen vor der Welt mit ihrem Bekenntnis.
Christen stehen vor ihren Mitmenschen mit Taten der Liebe.

Das Problem mit der Bibel – Gottes Wort und Menschenwort

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Ich habe zuhause eine ganze Sammlung von Bibeln. Einige haben sich im Laufe meines eigenen Lebens angesammelt: meine Konfirmandenbibel aus dem Jahr 1975, die Bibel, die ich während meines Studiums benutzt habe, mit dem Luthertext von 1984, die Millenniumsbibel aus dem Jahr 2000. Außerdem habe ich verschiedene Übersetzungen, die Pfarrer, Theologen und Arbeitskreise angefertigt haben, von der Züricher Übersetzung bis hin zur „Bibel in gerechter Sprache“, vom Genfer Neuen Testament bis zur „Volxbibel“. Viele Bibeln habe ich auch geschenkt bekommen – vor allem alte Bibeln aus der Zeit vor 1912. Meine älteste Bibel stammt aus dem Jahr 1724; sie ist also jetzt 300 Jahre alt, und ich habe schon ein Gefühl der Ehrfurcht vor der langen Geschichte, der vielen Zeit, die dieses Buch hinter sich hat.

Wussten Sie, dass es allein seit dem Jahr 2000 mehr als zwanzig neue Übersetzungen und Übertragungen der Bibel in die Deutsche Sprache gibt? Insgesamt sind beinah hundert verschiedene Bibelübersetzungen auf Deutsch erschienen, dazu gibt es noch eine Menge kleinere Ausgaben, die nur den Text des Neuen Testaments enthalten. Fast jeder von Ihnen wird eine Bibel irgendwo im Bücherregal stehen haben – aber wann haben sie zuletzt hinein gesehen?

Ich bin ziemlich sicher, dass die Bibel das Buch ist, das am meisten gekauft und am wenigsten gelesen wird. Vielleicht liegt es an dem „sperrigen“ Inhalt, dem großen zeitlichen und kulturellen Abstand zu der Gesellschaft, in der die Bibeltexte vor Jahrtausenden entstanden sind, vielleicht aber auch nur an der der Sprache, die uns im Lauf der Zeit fremd geworden ist. Mit den oft verschachtelten Sätzen, die Paulus geschrieben hat, mit den Metaphern des Propheten Jesaja und den skurrilen Bildern aus der Offenbarung des Johannes haben viele moderne Menschen Schwierigkeiten. Am ehesten kommen wir noch mit den Psalmen zurecht, die wie Gebete sind und sich oft erstaunlich zeitgemäß zeigen, und natürlich kennen wir die berühmten Stellen, die zu unserem kulturellen Allgemeingut gehören, auch bei Menschen, die nicht oft in die Kirche gehen: die Schöpfungsgeschichte, die zehn Gebote, das Vater unser, die Seligpreisungen und die Weihnachtsgeschichte.

In der Bibel heißt es: „Alle Schrift, die von Gott eingegeben ist, ist nütze zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit.“ Für uns Christen ist die Bibel ein sehr wichtiges Buch, weil sich unser Glaube immer wieder darauf bezieht. Von Jesus und von dem, was er getan und gepredigt hat, wissen wir nur durch die Bibel. Wie wir an Gott glauben, muss sich an dem messen lassen, was viele Generationen vor uns geglaubt haben und was in der biblischen Tradition begründet ist. Kirchliche Lehre, gottesdienstliche Praxis, Beichte und Buße, sogar das gesellschaftliche Zusammenleben in christlich gesinnten Staatswesen, all das wird von der Bibel geprägt.

Woher kommt aber die Autorität der Bibel? Warum ist dieses Buch so wichtig für die Christenheit? Manche Menschen haben geglaubt, dass die Bibel von Gott selbst „eingegeben“ ist, wie es im zweiten Brief an Timotheus heißt, und sie verstehen dieses „eingegeben“ in einem wörtlichen Sinn: Gott hat dem Moses, dem Lukas, dem Johannes sozusagen „diktiert“, was uns wie er schreiben soll. Sie nehmen die Bibel in dem Sinne „wörtlich“, dass sie jedes einzelne Wort als „Wort Gottes“ ansehen. Andere Menschen sehen die Autorität der Bibel vor allem darin begründet, dass sie über Jahrtausende die Grundlage des jüdischen und des christlichen Glaubens war, dass diese Texte die Wurzel unserer Tradition und unserer spirituellen Praxis sind. Sie denken aber, dass sie von Menschen geschrieben wurden, die ihre Erfahrungen mit Gott gemacht haben, deren Denken von andauernden Begegnungen mit Gott geprägt war und die darum mit Liebe, Weisheit, sozusagen unter Führung des Heiligen Geistes geschrieben haben, was wir heute lesen. Darum ist nicht jedes Wort die „unbedingte Wahrheit“, und es gibt manches in der Bibel, was zeitbedingt ist und heute nicht mehr wörtlich-verbindlich genommen werden kann. Die Worte der Bibel brauchen Auslegung und Einordnung, müssen im historischen Kontext verstanden werden. Wir glauben nicht an die Bibel, wir glauben an Jesus.

Aber die Bibel ist es, in der uns berichtet wird, was Jesus gesagt und getan hat, wofür er gelebt und gelitten hat, Im Judentum gibt es das Bild, das die Rolle der Heiligen Schrift verdeutlicht: den Vergleich mit dem schwarzen und dem weißen Feuer. Das schwarze Feuer ist der Text der Bibel selbst, die Buchstaben und Worte, die Sätze und Kapitel, die geschrieben sind. Sie lesen und studieren wir, um etwas über die Geschichte zu erfahren, Informationen und Hintergründe zu lernen, durch die der Glaube so geworden ist, wie wir ihn erleben. Zwischen den Buchstaben aber leuchtet das weiße Feuer, der bleibende Sinn, die gute Botschaft, die Liebe Gottes selbst, die zu uns spricht in, neben und zwischen den Worten, die wir lesen. Was geschrieben ist, ist „geistlich“ gemeint und muss auch geistlich verstanden werden.

Wie ein Diapositiv, ein kleines gerahmtes Bild, erst dann deutlich und in all seiner großen, leuchtenden Farbigkeit gesehen und gewürdigt werden kann, wenn es mit einem Projektor an eine Leinwand geleuchtet wird, so können die Worte der Bibel erst dann leuchten, brennen, treiben und trösten, wenn sie durch Gottes Heiligen Geist im Leben des glaubenden Menschen verwirklicht werden. In den Worten der Bibel erkennen wir, was uns zu Jüngerinnen und Jüngern Jesu machen kann, die genau so in seinen Spuren laufen wie die zwölf Männer, die er damals gerufen und beauftragt hat. In den Worten der Bibel suchen wir nach dem Auferstandenen, der auch für uns das Leben ist. In den Worten der Bibel suchen wir den lebendigen Christus.

Der Monatsspruch im März lautet: „Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier, er ist auferstanden, wie er gesagt hat.“ Was der Engel den Frauen sagt, die am Ostermorgen an das Grab Jesu kommen, ist in diesem Satz zusammen gefasst: Fürchtet euch nicht! Die Evangelisten, aber auch die Autoren der Briefe im Neuen Testament, beschreiben Jesus vor allem als den Gesandten Gottes, der durch den Tod hindurch gegangen und auferstanden ist.

Die österliche Freude, die große Hoffnung und das Vertrauen zu Gott, das wir als Christen haben, kommt aus dieser Botschaft. Wie schon in der Weihnachtsgeschichte heißt es auch hier am offenen Grab „Fürchtet euch nicht!“ Das Wunder der Osternacht ist nicht eine Art Wiedervereinigung Jesu mit seinen Jüngern, ist keine Fortsetzung des bisherigen Lebens, so als ob die Kreuzigung nie stattgefunden hätte. Darum lautet die Osterbotschaft: Er ist nicht hier. Trotzdem ist es eine Botschaft voller Hoffnung und Leben, denn der Kern der Worte aus dem Evangelium ist: Er ist auferstanden, wie er gesagt hat!

Randfiguren…

Schon bei den Schulfesten in der siebten Klasse war es so, und später auch in der Tanzschule: die Mauerblümchen, die Stillen an den hinteren Tischen, die Randfiguren waren oft die interessanteren Menschen. Sie fallen nicht auf, halten sich zurück, drängen sich nicht in den Mittelpunkt, aber das heißt nicht, dass sie nicht Spannendes zu erzählen haben, faszinierende Einblicke in ihre Welt bieten können und originelle Meinungen vertreten. Mit ihnen zu sprechen, sich auf sie einzulassen kann sehr bereichernd und begeisternd sein. Und gar nicht so selten können sie sogar recht gut tanzen.

Auch beim Nachdenken über biblische Geschichten lohnt es sich oft,  den Randfiguren besondere Aufmerksamkeit zu schenken: Jakob, David, Samuel, Aaron und viele andere Menschen aus dem ersten Testament waren Personen aus der zweiten Reihe, Menschen, die erst durch Gott ins Licht gestellt wurden. Salomo, Jona, Amos, sogar Jesaja haben sich dem Anspruch Gottes zuerst entziehen wollen.

In allen Darstellungen der Weihnachtsgeschichte stehen Maria und ihr Kind in der Mitte, umglänzt vo himmlischen Licht, umschwirrt von fröhlichen Engeln, bestaunt von den Hirten, angebetet von den weisen Männern aus dem Osten… Und dahinter im Dunkeln, am Rand der Szene und fast vergessen von der Geschichte, steht Josef.

Könnte ich ihn befragen, wäre er vielleicht enttäuscht oder sogar ein bisschen verbittert; und vielleicht würde er mir bei einem Glas Wein erzählen:

Setz dich hier hin und hör mir zu… Weißt Du, es macht mich fertig, dass ich draußen bin. Kannst Du verstehen?

Nein, kannst Du nicht.

Zuerst hab ich gedacht, ich gehe. Einfach weg, abhauen. Das alles einfach hinter mir lassen. Drei Monate war ich verlobt mit Maria, da merkte ich irgendwann, da ist was… Sie war so komisch die ganze Zeit, anders als ich sie kannte. Nicht mehr so – – leicht. Nicht mehr unbeschwert. Ich hab sie ein paar mal gefragt, aber sie sagt nur, nein, ist schon gut… Oft hatte sie rote Augen, hat geweint in der Nacht, wenn sie dachte, ich hör nichts. Irgendwann hab ich gesagt, Du, hör mal, wir sind verlobt, wir wollen heiraten in einem Jahr, Du musst mir sagen, was los ist! Da heult sie los und sagt: „Ich bin schwanger…“

Das hat gesessen, Mann. Um mich hat sich alles gedreht… Ich meine, ich hab sie nie angefasst; ich hatte da klare Vorstellungen, und ich dachte, die hätte sie auch. Alles zu seiner Zeit, weißt Du? Klar. Ihre Familie hat eigentlich immer auf sie aufgepasst, die haben Ehre, weißt Du, und auch mich und Maria haben sie eigentlich nie allein gelassen, nicht, dass wir Aufpasser nötig gehabt hätten; – – – und dann das! Ich dachte, mir zieht’s den Boden unter den Füßen weg.

Dann hat sie mir alles erzählt… Dass ein Engel bei ihr war, dass er ihr gesagt hat, sie würde Mutter werden, und ihr Kind sollte Jesus heißen, „Gott rettet“, so wie der Nachfolger von Moses… und dass er auch ein Mann Gottes sein würde. Ein Prophet, was weiß ich. Der Messias vielleicht sogar, der Auserwählte. Und ich wollte ihr glauben, weißt Du? Gib mir nochmal Wein… Ich wollte ihr diese Geschichte glauben! Ich wollte, dass das stimmt.

Jetzt noch denke ich, so wie ich Maria kenne, ist es eher wahr, dass wirklich ein Engel bei ihr war und dass Gottes Geist sie schwanger gemacht hat. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen, dass sie sich mit irgendeinem Mann eingelassen hat und mich jetzt belügt… Sie ist nicht der Typ, der lügt.

„Was wird meine Familie sagen?“, hab ich gedacht… Ich hab meine Tanten schon zetern gehört: Hast du das nötig, dich mit so einem Flittchen einzulassen, das dir schon vor der Hochzeit Hörner aufsetzt?“ Und mein Bruder, der wird sagen: „Hör mal, dir kann man ja auch wirklich alles erzählen, was? Ein Engel – das ist doch die bekloppteste Ausrede der Welt! Lass doch diese Trine sausen…“ Überall würden sie mit den Fingern auf uns zeigen…

Darum hab ich gedacht, ich hau ab. Sollen sie doch alle denken, ich wäre es gewesen, ich hätte ihre Ehre verletzt… Wäre mir auch egal gewesen. Immer noch besser, als dass sie von ihrer Familie verstoßen wird oder so. Als Tischler findest du überall Arbeit, hab ich mir gedacht, ich hätte nach Damaskus gehen können, oder Kairo, und nie wieder kommen… Aber wenn erst der Verdacht aufkäme, dass sie – Maria – fremdgegangen ist – dann guckt sie doch nie im Leben wieder jemand an, dann wäre sie so gut wie tot…

Aber dann hatte ich in der Nacht diesen komischen Traum… Ich war noch gar nicht richtig eingeschlafen, da spüre ich, wie mich was berührt. Jemand flüstert: „Josef!“ – Ja, sag ich… – „Josef! Hab keine Angst. Maria, deine Frau, sie ist dir treu geblieben. Bleib bei ihr, sorge für sie… Was in ihr wächst, ist die Frucht des Geistes Gottes…“ Doch! Klar, da kannst Du sagen, das ganze Gerede über Engel und so hat mich auch schon verrückt gemacht; aber das spürt man doch, ob ein Traum irgendetwas bedeutet oder nur Rauch ist wie meistens… Und ich war mir noch nie so klar über einen Traum wie in dieser Nacht. GOtt hat zu mir geredet…

Ich glaube das, was Maria mir gesagt hat. Ihr Sohn wird der „Sohn Gottes“ sein. Und ich… Ich bin draußen… Ich werde keinen Erstgeborenen haben, denn der erstgeborene Sohn meiner Frau wird nicht mein Sohn sein, und ich nicht sein Vater. Das ist es, was mich fertig macht. Als ob die ganze Geschichte an mir vorbei geht.

Ein bisschen ist es ja immer so: Wenn eine Frau ein Kind kriegt, besonders beim ersten Mal, dann stehst du als Mann nur daneben. Da hast du keine Ahnung, da kannst du nicht mitreden, da kannst du nur hilflos gucken. Die Frau freut sich ja meistens trotzdem, nur einfach darüber, dass du da bist. Das ist schon okay, so ist es normal. Aber bei mir – Ja, gib mir noch ein Glas, aber das ist das Letzte – bei mir ist das anders. Verstehst du, Gott hat sie berührt, hat sie verwandelt, Gott wird Mensch in ihr… Und was ist mit mir? Wird Gott auch mich brauchen – auch mich verwandeln?

Vielleicht wird er ja auch Tischler. Wenn wir wenigstens irgendwann zusammen den Hobel schwingen, gemeinsam an der Säge ziehen, dann könnte ich wenigstens das Gefühl haben, ja, der ist, was ich bin, von meiner Art, Bein von meinen Gebein und Fleisch von meinem Fleisch; ich könnte dann glauben, etwas von mir lebt in ihm weiter. Dann könnte ich glauben, dass er auch mein Sohn ist…

Weihnachten ist eine Geschichte der Frauen. Männer sind hier eher die Randfiguren. Josef steht im Hintergrund. Sein Kind wird Sohn des Höchsten genannt werden. In der Bibel wird Josefs Name nach den Geschichten aus der Jugendzeit Jesu nicht mehr erwähnt. Vielleicht ist Josef früh gestorben. Vielleicht hat er Maria später doch noch verlassen. Wir werden es nie wissen.

Vielleicht steckt hier aber ein tieferes Wissen im Hintergrund: Wenn es um die Erlösung geht, um den Frieden mit Gott, um die Rettung der Welt – dann kann die Weisheit der Weisen und die Kraft der Starken, die Vernunft der Klugen und die Geschicklichkeit der Fingerfertigen nichts nutzen. Was Menschen tun können, tritt in den Hintergrund, wird zur fast verborgenen Randerscheinung. Das heißt nicht, dass es unwichtig wird, im Gegenteil. Josef wird gebraucht. Ohne ihn wäre die ganze Geschichte anders verlaufen. Aber im Licht steht das, was Gott tut. Er ist es, der den Himmel öffnet, der hernieder kommt zu den Menschen, der durch seinen Tod unser Leben rettet und durch seine Auferstehung alle Tränen trocknet und alles Leiden heilt.

Doch ohne die Treue und Liebe des Josef wäre das so nicht möglich gewesen.

Ein Dankeschön für die Ehrenamtlichen in meiner Kirchengemeinde


Liebe Schwestern und Brüder,
liebe Ehrenamtliche in der Gemeinde.
 
Ihr seid die Menschen, ohne die hier gar nichts geht.
Die Pfarrer wissen das, der Vikar weiß das auch,
und die Hauptamtlichen in der Gemeinde wissen,
dass sie ohne eure Hilfe aufgeschmissen sind.
 
Ab und zu haben wir euch unsere Dankbarkeit gezeigt,
und dieses Fest soll auch ein Zeichen sein,
dass wir eure Mitarbeit sehr schätzen…
 
Wie ist es gekommen, dass Ihr hier mitarbeitet und helft?
Manche sind von einem Pfarrer
oder einer Mitarbeiterin angesprochen worden,
vielleicht schon vor langer Zeit,
manche von euch haben vielleicht selbst erkannt,
dass es in der Gemeinde eine Not gibt,
die nach eurer Hilfe schreit.
Manche haben vielleicht sogar eine Art Berufung von Gott gefühlt.
 
Und dann habt ihr die Erfahrung gemacht, wie sehr ihr gebraucht werdet.
Oft ist es nicht bei einem einzigen Ehrenamt geblieben.
So ist es nämlich immer in einer Kirchengemeinde:
 
…gibst du hier den kleinen Finger
nimmt sie gleich die ganze Hand.


Jeden Monat, immer wieder,
trifft sich hier der GKR.
Man berät und man entscheidet ,
Dieses Amt ist ziemlich schwer.

Man muss Geld verwalten, Kirchdienst planen
helfen bei dem Sommerfest.
Manchmal Kann man vorher ahnen,
dass sich was länger ziehen lässt.

Muss man ein Logo hier gestalten,
weiß man jetzt in unserem Land:
Hier reicht nicht der kleine Finger ,
Hier braucht man die ganze Hand.
 

Der GemeindeBrief ist fertig.
Frisch gedruckt und schön sortiert
wartet er auf flinke Hände
Damit er ausgeliefert wird.

Und es laufen durch die Straßen
hin und her, von Tür zu Tür
nette, frohe, schnelle Menschen
So wie du und du und ihr.

Schon in acht Wochen kommt der nächste
Das ist lange schon bekannt.
Reicht Du hier den kleinen Finger
nimmt man gleich die ganze Hand.


Die Gemeinde braucht Musik!
Der Chöre gibt es hier gleich zwei.
Der Gottesdienst ist doch viel schöner
Wenn ein Chorgesang dabei.

Die Chorwerkstatt erfüllt die Kirche
Mit Stimmen voller Klang und Braus.
Und manchmal singen auch die Kinder
Von unten an bis oben aus.

Und wenn sogar ein Musical
zu Proben ist, so zauberhaft galant…
das geht nicht mit dem kleinen Finger.
Hier braucht ’s eine ganze Hand

 
Konfirmanden sind die Zukunft.
Noch zwanzig Jahre, dann sind sie’s
Die täglich hier gestalten werden
Was Kirche ist. Was nicht . Und wie’s

Dann hier Im Hause zugeh’n wird.
Ob man noch predigt? Woran man glaubt?
Wie man als Christ lebt. Ob überhaupt
sich für uns wer in’tressiert?

Die Teamer sind als Vorbild wichtig.
An ihnen wird all das erkannt.
Sie reichen mehr als einen Finger,
Und nehm die Jugend bei der Hand.
 
 
Die ganz Kleinen in der Kirche
sind nur ein paar Wochen alt,
bis sie Teenager geworden,
haben sie hier einen Halt.
 
Sie und ihre Eltern finden
bei uns einen schönen Platz,
backen Waffeln, suchen Schätze,
füllen Räume mit Rabatz.
 
Kochen, Malen, Singen, Krabbeln
auf dem Teppich und im Sand,
und nehm’ in ihre kleinen Finger
uns’re ausgestreckte Hand.
 
 
Und die bei uns alt geworden,
Senioren nennt man sie,
treffen sich zum Bibellesen,
mit Neugierde und Phantasie.

Feiern auch in froher Runde
Geburtstag, Weihnachten und mehr,
essen Martinsgans und Kuchen,
trinken Kaffee, reden sehr…
 
Fröhlich, freundlich, frisch und frei,
liebenswürdig und charmant –
gibt man hier den kleinen Finger,
bekommt man oft die ganze Hand.
 
 
Am Ende Gott – amazing grace
Er segnet, was wir tun, an jedem Tag.
Er hat uns durch die Zeit begleitet
und bleibt bei uns, was immer kommen mag.
 
Ihm gehört vor allem andren unser Dank.
In guter und in schwerer Zeit.
Seine Liebe brachte uns zusammen.
Und unser tun ist immer ihm geweiht.
 
Am Ende Gott. Gott ist die Liebe.
Das machen wir durch unser tun bekannt…
Er gibt nicht nur den kleinen Finger
Er reicht uns allen gnädig seine Hand.

 
Liebe Schwestern und Brüder,
liebe Ehrenamtliche in der Gemeinde.
 
Ihr seid die Menschen, ohne die hier gar nichts geht.
Die Pfarrer wissen das, der Vikar weiß das auch,
und die Hauptamtlichen in der Gemeinde wissen,
dass sie ohne eure Hilfe aufgeschmissen sind.
 
Ab und zu haben wir euch unsere Dankbarkeit gezeigt,
und dieses Fest soll auch ein Zeichen sein,
dass wir eure Mitarbeit sehr schätzen…
 
Wie ist es gekommen, dass Ihr hier mitarbeitet und helft?
Manche sind von einem Pfarrer
oder einer Mitarbeiterin angesprochen worden,
vielleicht schon vor langer Zeit,
manche von euch haben vielleicht selbst erkannt,
dass es in der Gemeinde eine Not gibt,
die nach eurer Hilfe schreit.
Manche haben vielleicht sogar eine Art Berufung von Gott gefühlt.
 
Und dann habt ihr die Erfahrung gemacht, wie sehr ihr gebraucht werdet.
Oft ist es nicht bei einem einzigen Ehrenamt geblieben.
So ist es nämlich immer in einer Kirchengemeinde:
 
…gibst du hier den kleinen Finger
nimmt sie gleich die ganze Hand.


Jeden Monat, immer wieder,
trifft sich hier der GKR.
Man berät und man entscheidet ,
Dieses Amt ist ziemlich schwer.

Man muss Geld verwalten, Kirchdienst planen
helfen bei dem Sommerfest.
Manchmal Kann man vorher ahnen,
dass sich was länger ziehen lässt.

Muss man ein Logo hier gestalten,
weiß man jetzt in unserem Land:
Hier reicht nicht der kleine Finger ,
Hier braucht man die ganze Hand.
 

Der GemeindeBrief ist fertig.
Frisch gedruckt und schön sortiert
wartet er auf flinke Hände
Damit er ausgeliefert wird.

Und es laufen durch die Straßen
hin und her, von Tür zu Tür
nette, frohe, schnelle Menschen
So wie du und du und ihr.

Schon in acht Wochen kommt der nächste
Das ist lange schon bekannt.
Reicht Du hier den kleinen Finger
nimmt man gleich die ganze Hand.


Die Gemeinde braucht Musik!
Der Chöre gibt es hier gleich zwei.
Der Gottesdienst ist doch viel schöner
Wenn ein Chorgesang dabei.

Die Chorwerkstatt erfüllt die Kirche
Mit Stimmen voller Klang und Braus.
Und manchmal singen auch die Kinder
Von unten an bis oben aus.

Und wenn sogar ein Musical
zu Proben ist, so zauberhaft galant…
das geht nicht mit dem kleinen Finger.
Hier braucht ’s eine ganze Hand

 
Konfirmanden sind die Zukunft.
Noch zwanzig Jahre, dann sind sie’s
Die täglich hier gestalten werden
Was Kirche ist. Was nicht . Und wie’s

Dann hier Im Hause zugeh’n wird.
Ob man noch predigt? Woran man glaubt?
Wie man als Christ lebt. Ob überhaupt
sich für uns wer in’tressiert?

Die Teamer sind als Vorbild wichtig.
An ihnen wird all das erkannt.
Sie reichen mehr als einen Finger,
Und nehm die Jugend bei der Hand.
 
 
Die ganz Kleinen in der Kirche
sind nur ein paar Wochen alt,
bis sie Teenager geworden,
haben sie hier einen Halt.
 
Sie und ihre Eltern finden
bei uns einen schönen Platz,
backen Waffeln, suchen Schätze,
füllen Räume mit Rabatz.
 
Kochen, Malen, Singen, Krabbeln
auf dem Teppich und im Sand,
und nehm’ in ihre kleinen Finger
uns’re ausgestreckte Hand.
 
 
Und die bei uns alt geworden,
Senioren nennt man sie,
treffen sich zum Bibellesen,
mit Neugierde und Phantasie.

Feiern auch in froher Runde
Geburtstag, Weihnachten und mehr,
essen Martinsgans und Kuchen,
trinken Kaffee, reden sehr…
 
Fröhlich, freundlich, frisch und frei,
liebenswürdig und charmant –
gibt man hier den kleinen Finger,
bekommt man oft die ganze Hand.
 
 
Am Ende Gott – amazing grace
Er segnet, was wir tun, an jedem Tag.
Er hat uns durch die Zeit begleitet
und bleibt bei uns, was immer kommen mag.
 
Ihm gehört vor allem andren unser Dank.
In guter und in schwerer Zeit.
Seine Liebe brachte uns zusammen.
Und unser tun ist immer ihm geweiht.
 
Am Ende Gott. Gott ist die Liebe.
Das machen wir durch unser tun bekannt…
Er gibt nicht nur den kleinen Finger
Er reicht uns allen gnädig seine Hand.

 

Jetzt ist aber mal gut!

Erntedank-Altar in Rotberg

„Jetzt ist aber mal gut!“ – Immer wieder einmal treffe ich die Mutter mit den drei Kindern im Supermarkt bei mir an der Straße. Während Mama einkauft, wirbeln die Kleinen durch die Gänge auf der Suche nach besonderen Schätzen. So finden nach und nach eine Tüte Gummibärchen, eine Dose Schokoriegel, ein Kästchen Schaumküsse den Weg in den Einkaufswagen. Wenn die Kinder aber noch mit Kartoffelchips, Limonade und Lakritzschnecken ankommen, sagt die Mama streng und bestimmt: „Jetzt ist aber mal gut!“

Jetzt ist aber mal gut! Das möchte man auch so manchem Zeitgenossen sagen, der einfach nicht genug bekommen kann. Beispiele fallen uns viele ein: der Fußballprofi, der für viele Millionen Euro den Verein wechselt, der Schauspieler, der Millionen Dollar für eine Fernsehserie gezahlt bekommt, der Topmanager, der pro Sekunde mehr verdient als andere in einer Woche… Ich will hier keinen Sozialneid schüren, ich habe auch viel zu wenig Ahnung von finanziellen Strukturen der internationalen Wirtschaft; aber warum in vielen Ländern drei Prozent der Bevölkerung die Hälfte des Geldes besitzen und das arme Drittel nur das Nötigste zum Überleben hat, das will mir nicht in den Sinn… Wenn dann noch gejammert wird, wie schlecht es der Wirtschaft geht, dann will ich auch sagen: Jetzt ist aber mal gut!

In der Bibel kommen die reichen Menschen oft schlecht weg. Wir erinnern uns alle an den Seufzer Jesu: „Wie schwer ist es für einen, der viel besitzt, in das Königreich Gottes zu kommen!“ Und wir erinnern uns auch an die Mahnung: „Sammelt euch nicht Schätze auf der Erde, wo der Rost frisst und die Motten zerstören, sondern sammelt Reichtum im Himmel, der ewig bleibt.“ Schon im Buch des alten Bundes heißt es: „Ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums und ein Starker nicht seiner Stärke, sondern wer sich rühmen will, der rühme sich der Weisheit, dass er Gott, den Allmächtigen erkennt und seine Gebote hält und nach seinem Gesetz lebt…“

Dabei ist Jesus nicht pauschal gegen den Reichtum eingestellt. Er hat mit Armen und Reichen gefeiert, hat Habenichtse und Wohlhabende berufen und sogar zu einem kleinen „Prinzen“ gesagt „Du bist nicht fern dem Reich Gottes!“

Auch in der Gleichniserzählung vom reichen Kornbauern wird der kluge Landwirt nicht deshalb kritisiert, dass er verantwortlich mit seinem Reichtum umgeht. Er tut doch nur, was vernünftig ist und was wohl auch jeder von uns tun würde: rechtzeitig planen, klug investieren, im richtigen Moment sparen und verantwortlich und nachhaltig vorsorgen.

Es geht nicht einmal darum, dass er nicht bereit ist, zu teilen und von seinem Reichtum abzugeben an die anderen in Not.

Was Jesus aber kritisiert: dass der Reiche sich nach aller seiner Arbeit zurück lehnt und denkt, nun kann nichts mehr passieren, ich habe ausgesorgt.

Er will nun leben, als ob es Gott nicht gibt; er glaubt, dass er so leben kann, weil er Gott gar nicht mehr braucht. Um alles hat er sich selbst gekümmert. Und das ist sein großer Fehler: Schon morgen kann doch sein Leben zu Ende sein – wem wird dann der ganze Reichtum nützen?

Jesus kritisiert die Menschen, die sich nur auf ihren Reichtum verlassen und nicht auf Gott vertrauen, er stellt Menschen infrage, die sich nur auf ihre eigene Kraft stützen und die Hilfe Gottes nicht wahrnehmen, die immer die materiellen Bedürfnisse und die Sorgen um die eigene Sicherheit über alles andere stellen, mehr achten als Solidarität und Nächstenliebe, Glauben und Vertrauen auf Gott. Da ist es, als ob er sagt: Nun ist aber mal gut!

Ich habe oft den Eindruck, dass Geiz und fehlendes Mitgefühl mit dem „Nächsten“ in Wirklichkeit aus der Angst heraus kommt, selbst nicht genug zu haben. Selbst, wenn die Speicher voll sind, die Silos gefüllt und die Lager bis unters Dach mit Waren gefüllt – es könnte doch nicht ausreichend sein. Wenn Trockenheit und Dürre kommen, wenn es eine Überschwemmung gibt oder ein Erdbeben, wenn Krieg ausbricht oder Flüchtlinge in Massen kommen, dann ist es doch besser, man hat vorgesorgt, oder? Dann muss man nicht beten, muss kein Gottvertrauen haben, dann ist man selbst seines Glückes Schmied.

Sorgen um die Zukunft machen sich dennoch viele Menschen in Deutschland. Sie fürchten, dass alles noch viel schlimmer wird und das die Sicherheit und der gesellschaftliche Friede bedroht ist und bleiben wird. Objektiv gesehen ging es aber noch nie so vielen Menschen in Deutschland so gut wie jetzt. Trotz Krieg in der Ukraine, trotz Extremwetter in vielen Teilen der Welt, trotz Inflation und steigender Preise für Energie und Lebensmittel floriert die Wirtschaft, wird reichlich geerntet, sind Speicher und Kassen voll.

Im Vergleich zur wirtschaftlichen Lage in anderen europäischen Ländern steht Deutschland gut da.

Es liegt im politischen Interesse einiger Parteien, die „Gesamtsituation“ schlecht zu reden, vor Chaos und Unordnung zu warnen und Ängste zu schüren. Vielleicht liegt darin ja in Wirklichkeit die eigentliche Gefahr.

Der Kirchenkreis Schöneberg, in dem ich noch vor zehn Jahren gearbeitet habe, hat eine Partnerschaft mit dem Kirchenkreis Botshabelo in Südafrika. Einmal kam eine Delegation von zwanzig Frauen von dort nach Berlin und begleitete vier Wochen lang unsere Arbeit.

Am Ende dieser Zeit erklärten sie uns: Ihr habt so viele schöne Gebäude, viele gut ausgebildete Leute, so viele Möglichkeiten, Gottesdienste zu feiern und Konzerte zu veranstalten, aber ihr seid oft so freudlos und beinahe verängstigt. Ihr seid nicht begeistert und dankbar für alles, was Gott euch schenkt. Ihr habt Angst, dass die gute Zeit bald wieder vorbei sein könnte, darum genießt ihr nicht, was ihr habt. Ihr könntet ohne Ende singen und tanzen und Gott loben, statt dessen redet ihr in euren Versammlungen über die Bildung von Rücklagen und über Sparmaßnahmen in der Kirche. Wir können euch darin nicht verstehen. Vor lauter Sorge um die Zukunft könnt ihr in der Gegenwart nicht leben.

Ich will lernen, auch in diesen Zeiten auf Gott zu vertrauen. Ich will lernen, dankbar in der Gegenwart zu leben, weil es eben auch eine Zeit in der Gegenwart Gottes ist.

Einer der Namen, die das jüdische Volk für Gott gefunden hat, ist Jahwe jireh, Gott ist unser Versorger. Als Israel durch die Wüste zog, versorgte er sie am Morgen mit dem Manna und am Abend mit dem Fleisch von Wachteln. Er führte sie in das Land, wo Milch und Honig fließt. Und selbst in den schwersten Zeiten hat Israel an diesem Bekenntnis festgehalten: Gott ist Jahwe jireh – unser Versorger.

Ich rede selten politisch in meiner Predigt, heute – denke ich – muss ich es einmal tun: Wer an Gott glaubt, muss nicht herein fallen auf die Reden von Politikern, die mit Angst zu manipulieren versuchen. Wenn am nächsten Sonntag hier die kommunalen Vertretungen gewählt werden, müssen wir nicht auf die hören, die Angst machen vor Einwanderern aus Ländern in denen sie verfolgt werden. Wir müssen nicht auf die hören, die die Reichen noch reicher machen wollen auf Kosten der Armen. Wir müssen nicht auf die hören, die uns eine trügerische Sicherheit versprechen auf Kosten von Menschenwürde und Menschenrechten…

Genug davon!

„Schaut die Vögel unter dem Himmel an und die Lilien auf dem Feld. Sie sorgen sich nicht um die Zukunft, und doch ernährt sie Gott! Darum sorgt auch ihr nicht nur für eure Nahrung, fragt euch nicht ‚Was werden wir anziehen?‘ Gott weiß doch, was ihr braucht. Darum sorgt euch nicht um den morgigen Tag. Es ist genug, wenn ihr im Heute Mühe und Arbeit habt…“ So sagt es Jesus den Seinen. Und so will auch ich glauben und vertrauen.

Die Himmelstiefen ruh’n in ihm…

Man kann Gott gar nicht groß genug denken. Es gibt nichts, das nicht aus seiner Hand gekommen ist, nichts, das nicht von ihm durchweht und durchwebt ist. In seinen Händen ruht das All, durch ihn ist alles geschaffen.

Hiob nennt – nur als Beispiel – die Sterne des Orion, den Mond und die Sonne, die großen Himmelslichter und die mächtigen Sternbilder, die zu seiner Zeit von vielen Menschen als Götter verehrt wurden: sie sind eigentlich nur die Spuren des Handelns des Ewigen, des Einen, der allein der Schöpfer ist.

Wir wissen heute, dass die Sterne riesige Kugeln aus strahlendem Gas sind; Forschende aus vielen naturwissenschaftlichen Disziplinen erklären uns, wie sie entstanden sind, wie sie sich über Jahrmilliarden entwickeln und wie ihre Existenz mit unserem irdischen Da-Sein verbunden ist. Selbst über die Geburt des Universums haben sie Theorien aufgestellt, nicht weniger erstaunlich und ehrfurchtgebietend als die Schöpfungserzählungen aus biblischen Zeiten.

Wir sind Kinder der Galaxie, sagen sie uns, entstanden aus dem Staub lang schon verloschener Sonnen. Vieles glauben wir, verstanden zu haben und mindestens teilweise erklären zu können. Das macht das Wunder aber nicht kleiner.

Die Bibel ist uns nicht als Anleitung zu naturwissenschaftlicher Erkenntnis gegeben, sondern als Hinweis auf die Größe und Macht Gottes: Die Himmelstiefen ruh’n in ihm, Höhen und Tiefen,  sie sind sein. In die Anbetung, zum Lobpreis des Schöpfers wollen uns die Autoren der Heiligen Schrift führen.

Man kann Gott gar nicht klein genug denken. Unendlich tief beugt sich der Ewige hinunter in unsere Welt, wird schließlich ein Teil von ihr. Er nimmt Teil an unserem Leben, an unserem Schicksal, an unserem Leiden und an unserer Schuld. Der Heilige will Begleiter unseres Alltags sein.

Maria und Josef betrachten staunend das Kind in der Krippe; die Hirten von den Feldern um das Dorf Bethlehem herum kommen, um seine Windeln zu sehen; selbst die Weisen aus den fernen Ländern im Osten erkennen in dem Kind, dass Gott sich hier ganz klein und ganz nah gemacht hat.

Mit Speichel und Staub heilt er einen Blinden, macht Wasser zu Wein, um seine überfließende Liebe zu zeigen, er hungert und dürstet und widersteht den teuflischen Versuchungen, er zittert vor Angst in seiner letzten Nacht: nichts Menschliches ist ihm fremd.

Sogar in dem Mann, der am Kreuz stirbt, ist der lebendige Gott gegenwärtig, und das Universum hält den Atem an zwischen seinem Ruf „Mein Gott, warum hast Du mich verlassen…“ und dem „Es ist vollbracht!“

„Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende…“ verspricht Gott durch den Auferstandenen, auch so hält er sich gebunden an das Wort, das er den Menschen gegeben hat. „Ich werde sein, das ist mein Name, und so sollen alle Menschen mich anrufen…“

Man kann Gott nicht nah genug denken. Nicht ein abstraktes Prinzip, nicht eine ferne Urgewalt, keine philosophische Maxime ist er. Er begegnet uns, damit wir uns in ihm selbst erkennen. Wenn wir ihn sehen, sehen wir uns im Spiegel seiner Liebe.

Wir sollen uns kein Bild von Gott machen, heißt es in den Geboten. Tatsache ist doch aber, dass wir in allem, was wir tun, ein Bild von ihm schaffen. So wie er uns nach seinem Bild geschaffen hat, schaffen wir ein Bild von ihm durch die Art, wie wir leben, durch den Weg, den wir gehen, durch die Vorstellungen,  die wir für wahr halten und auf die wir uns verlassen.

Wir können gar nicht anders. Es ist unsere Art, Gott immer neu zu denken, es ist seine Art, uns immer wieder anders zu begegnen. Erst, wo wir den lebendigen Gott festlegen auf ein Bild, auf eine Form, auf eine Erfahrung, erst dann brechen wir das Gebot, denn wir sehen dann nicht mehr seine schöpferische Kraft, sondern nur noch ein Wunschbild, eine Götterfigur, einen Götzen, der so ist, wie wir ihn gerne hätten.

Er kommt uns näher als wir es für möglich halten. Ihm sind keine Grenzen gesetzt. Und diese Begegnung,  diese Nähe verändert uns. Wie könnte es anders sein? Der Glaube an ihn gibt uns Kraft, die Hoffnung befeuert uns, die Liebe, die er uns entgegen bringt, verleiht uns Flügel.

Seine Nähe macht uns zu neuen Menschen. Wir blicken nicht mehr nur staunend auf die Sterne, erwarten Trost und Hilfe von einem leuchtenden, aber stummen Universum. Die Himmelstiefen ruh’n in ihm – und er ist es, der uns im Leben leitet…